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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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entgegenführte, und bald mußte auch Aubert seine Ersparnisse dem Meister anbieten.
    »Was soll aus meiner Tochter werden?« fragte der alte Uhrmacher zuweilen, wenn ihn in diesem Schiffbruch die Gefühle seiner Vaterliebe übermannten.
    Aubert wagte nicht hierauf zu antworten, daß er sich stark und muthig fühle, für Gérande und ihr Zukunft zu arbeiten. Meister Zacharius hätte ihn sonst wohl noch an demselben Tage als seinen Schwiegersohn umarmt und so jene verhängnißvollen Worte, die er noch immer nicht vergessen konnte, Lügen gestraft.
    »Gérande wird Aubert nicht heiraten«, hatte das seltsame kleine Ungeheuer geweissagt.
    … … … … … … … … … … … … … …
    Unter diesen Umständen kam es so weit, daß der Uhrmacher sich all seines Eigenthums entäußerte; die schönen antiken Basen, die prächtigen, sein geschnitzten Eichenfüllungen, die die Mauern seiner Wohnung bekleideten, wanderten aus dem Hause in fremde Hände; die naturwüchsigen Gemälde aus der ersten flämischen Schule erfreuten nicht mehr Gérande’s Auge, und sogar die kostbaren, von Meister Zacharins selbst erfundenen Werkzeuge wurden verkauft, um den unzufriedenen Kunden gerecht zu werden.
    Nur Scholastica wollte sich mit diesem Régime nicht einverstanden erklären; aber ihre Anstrengungen, die Zudringlichen fortzuschicken, waren nur von geringem Erfolg; sie wußten gewöhnlich bis zu dem alten Meister vorzudringen, und kamen dann bald, mit irgend einem kostbaren Gegenstande beladen, wieder aus der Werkstätte hervor. Das Geschwätz der alten Magd ertönte auf allen Straßen und Gassen des Stadtviertels, in denen man sie von Alters her kannte; sie mühte sich ab, den Gerüchten von Zauberei und Magic, die sich in Bezug auf Meister Zacharius verbreitet hatten, entgegenzutreten; da sie aber im Grunde selbst von der Wahrheit des Stadtgesprächs überzeugt war, hielt sie sich für verpflichtet, wieder und wieder eine Menge Gebete herzusagen, um ihre frommen Lügen gut zu machen.
    Die Genfer hatten bereits seit geraumer Zeit bemerkt, daß der alte Uhrmacher nicht mehr wie früher seinen religiösen Pflichten nachkam; ehemals hatte er Gérande begleitet, wenn sie zum Gottesdienst ging, und wie jeder rege Geist im Gebet einen intellectuellen Reiz findet, so war es auch ihm ergangen. Dieses freiwillige Fernbleiben des Alten von der Ausübung heiliger Gebräuche im Verein mit seiner geheimnißvollen Kunst hatte die Anklage der Zauberei gegen ihn immer mehr verbreitet und glaubwürdiger gemacht, und Gérande beschloß aus diesem Grunde, und weil sie sehr wünschte ihren Vater zu Gott und der Welt zurück zu führen, die Religion zu Hilfe zu rufen. Sie glaubte, der Katholicismus könne einer sterbenden Seele wieder Lebenskraft verleihen; aber diese Dogmen des Glaubens und der Demuth trafen in der Seele des Meisters auf einen unübersteiglichen Hochmuth und stießen mit einem Stolz der Wissenschaft zusammen, der Alles auf sich bezog, ohne zu der unendlichen Quelle hinaufzusteigen, von der die ersten Principien ausgehen.
    Unter solchen Umständen unternahm das junge Mädchen den Versuch, ihren Vater zu seinen religiösen Pflichten zurück zu führen, und ihr Einfluß war ein so heilsamer, daß der alte Uhrmacher versprach, am folgenden Sonntage dem Hochamt beizuwohnen. Gérande war entzückt, wie wenn der Himmel sich vor ihr aufgethan hätte, und auch Scholastica konnte ihre Freude kaum bezähmen, da sie nun endlich unwiderlegliche Gründe hatte, gegen die Verleumdungen ihres Herrn von boshaften Zungen einzutreten. Sie sprach von dem bevorstehenden Ereigniß zu ihren Nachbarinnen, ihren Freundinnen, ihren Feindinnen, kurz mit jedem, den sie kannte, und ebenso mit denen, die sie nicht kannte.
    »Wir können wirklich kaum glauben, was Sie uns da erzählen, Scholastica, entgegnete man ihr, denn Meister Zacharius hat seit langer Zeit schon im Einverständniß mit dem Teufel gehandelt.
    – Wenn Ihr so sprechen könnt, habt Ihr gewiß nie die Kirchthürme gezählt, in denen Uhren des Meister Zacharius schlagen? Wie oft sind mit ihren Klängen die Stunden des Gebets und der Messe eingeläutet!
    – Ja, freilich! gab man ihr zur Antwort; aber er hat doch Maschinen erfunden, die ganz allein gehen, und die verrichten, was sonst nur wirkliche, denkende Menschen können.
    – Hätte denn aber ein Kind des bösen Geistes die schöne eiserne Uhr im Schloß Andernatt fertigen können? hob Scholastica zornig an, dies herrliche Werk, das die

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