Erzählungen
Stadt Genf nicht ankaufen konnte, weil sie nicht reich genug dazu war? Zu jeder Stunde kam ein schöner Spruch hervor, so schön, daß jeder Geist, der sich danach gerichtet hätte, schnurstracks in’s Paradies eingegangen wäret Soll das etwa auch ein Werk des Teufels sein?«
Dies Meisterwerk, das der alte Uhrmacher vor etwa zwanzig Jahren geschaffen, hatte allerdings viel dazu beigetragen, seinen Ruhm zu verbreiten; gerade zu jener Zeit war jedoch die Anklage wegen Zauberei gegen ihn ziemlich allgemein gewesen. Jedenfalls aber mußte die Einkehr des Greises in die Kirche des heiligen Petrus jetzt alle bösen Zungen zum Schweigen bringen.
Meister Zacharius war in seine Werkstatt zurückgekehrt, ohne weiter an das seiner Tochter gegebene Versprechen zu denken. Er hatte endlich seine Ohnmacht erkannt, den todten Uhren wieder Leben einzuhauchen, und wollte sich daran machen, neue anzufertigen. So ließ er denn all die kraftlosen Körper liegen und begann an der Krystalluhr zu arbeiten, die nach seiner Absicht ein Meisterwerk werden sollte. Aber vergebens bediente er sich seiner vollkommensten Werkzeuge, vergebens gebrauchte er Rubin und Diamant, damit diese den Reibungen widerstehen sollten, als er die Uhr zum ersten Mal aufziehen wollte, zersprang das kostbare Werk ihm in den Händen!
Der Greis verbarg diesen Fehlschlag vor Jedermann, selbst vor seiner Tochter; aber von nun an war seine Energie gebrochen, und seine Kraft schien zur Neige zu gehen. Das Leben des alten Uhrmachers glich jetzt nur noch den letzten Oscillationen eines Pendels, die immer schwächer werden, wenn nichts ihnen ihre ursprüngliche Kraft wiedergiebt; es schien, als ob die Gesetze der Schwere direct auf den Alten wirkten und ihn unwiderstehlich zu Grabe zögen.
Unzufriedene Kunden strömten in das Haus. (S. 116.)
Der von Gérande so sehr ersehnte Sonntag kam endlich heran; das Wetter war schön, die Temperatur frisch und prächtig. Die Städter gingen mit heiterm Geplauder über die Wiederkehr des Frühlings durch die Straßen, und Gérande, die den greifen Vater sorgsam stützte, während Scholastica die Gebetbücher nachtrug, lenkte ihre Schritte nach der St. Peterskirche.
Ueberall sah man ihnen neugierig nach. Meister Zacharius ließ sich führen wie ein willenloses Kind oder vielmehr wie ein Blinder, als er aber die Schwelle des Gotteshauses überschritt, schien es fast, als sähen ihn die Gläubigen mit einer Bewegung des Schreckens kommen, und als zögen sie sich vor ihm zurück.
Die Gesänge des Hochamts waren bereits angegangen, und Gérande begab sich auf ihren gewohnten Platz, kniete nieder und betete mit tiefer Inbrunst, während ihr Vater neben ihr stehen blieb.
Die Ceremonie der Messe spielte sich mit der majestätischen Feierlichkeit jener Zeit des Glaubens ab, aber der Greis glaubte nicht; er flehte nicht mit dem Schmerzensruf des
Kyrie
die Barmherzigkeit des Himmels herab und besang nicht mit dem
Gloria in excelsis
seine Herrlichkeit. Die Vorlesung des Evangeliums konnte ihn nicht aus seinen materialistischen Träumereien reißen, und er vergaß mit einzustimmen in die katholischen Huldigungen des
Credo
.
Der stolze Mann blieb unbeweglich stehen, gefühllos und stumm wie eine Bildsäule von Stein, und selbst in dem feierlichen Augenblick, als die Glöckchen das Wunder der Transsubstantiation verkündeten, beugte er nicht seine Kniee und sah die Gott gewordene Hostie, die der Priester über die Gläubigen erhob, mit starren Blicken an.
Der stolze Mann blieb unbeweglich stehen. (S. 121.)
Gérande schaute nach ihrem Vater, und Thränen tiefen Kummers fielen auf ihr Missale nieder.
In diesem Augenblick schlug die Glocke von St. Peter halb zwölf Uhr, und Meister Zacharius wandte seinen Kopf nach dem alten Thurm, der noch nicht verstummt war; es kam ihm vor, als blickte das innere Zifferblatt nach ihm hin, als glänzten die Stundenziffern wie mit feurigen Zügen eingravirt, und als ließen die Zeiger elektrische Funken von ihren scharfen Spitzen springen.
Die Messe ging zu Ende; es war Brauch, daß das
Angelus
um die Mittagsstunde gesprochen wurde, und die Dienstthuenden warteten, bis die Kirchthurmuhr schlagen würde, ehe sie den Vorhof verließen. Noch wenige Augenblicke, und das Gebet sollte zur heiligen Jungfrau emporsteigen.
Aber plötzlich machte sich eine Bewegung in der Menge bemerkbar; Meister Zacharius that einen Schrei…
Der große Zeiger des Zifferblattes war plötzlich, auf zwölf Uhr
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