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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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waren.
    »Noch sind sie zu stark für uns, sagte André Vasling; wir wollen warten, bis der Sieg von vorn herein unser ist!«
    Die Seeleute fühlten sich so krank und muthlos, daß sie nicht wagten, die vier Elenden anzugreifen; im Fall des Unterliegens waren sie ja verloren.
    »André Vasling, sagte Ludwig Cornbutte mit matter Stimme, stirbt mein Vater, so hast Du ihn gemordet, und ich bringe Dich um wie einen Hund!«
    Er erhielt keine Antwort hierauf; seine Feinde hatten sich nach dem andern Ende des Logis zurückgezogen und verharrten in Schweigen.
    Der Holzvorrath mußte abermals erneuert werden; Ludwig Cornbutte stieg trotz der großen Kälte auf das Verdeck und begann einen Theil der Verschanzungen abzuschneiden; nach Verlauf einer Viertelstunde mußte er jedoch davon abstehen, denn er lief Gefahr, von der Kälte übermannt zu werden. Im Vorübergehen warf er einen Blick auf das Thermometer und sah, daß es zweiundvierzig Grad unter Null zeigte. Der Wind wehte aus Norden, und das Wetter war trocken und hell.
    Am 26. setzte der Wind um; er kam aus Nordosten, und die Kälte sank auf fünfunddreißig Grad. Johann Cornbutte rang mit dem Tode, und sein Sohn hatte vergebens ein Heilmittel für seine Schmerzen gesucht; endlich aber gelang es ihm, André Vasling eine Citrone aus den Händen zu reißen, die dieser soeben aussaugen wollte, und der Obersteuermann gab sich nicht die geringste Mühe, um sie wieder zu erlangen; fast schien es, als warte er auf eine passende Gelegenheit, seine Pläne auszuführen.
    Der Citronensaft verlieh dem alten Seemann wieder einige Kraft, aber das Mittel hätte in mehrfach wiederholten Dosen angewandt werden müssen; Marie flehte André Vasling auf den Knieen an, ihr die heilkräftigen Früchte zu geben, aber umsonst; er antwortete mit keiner Silbe auf ihre Bitten, und Penellan hörte, wie er kurze Zeit darauf zu seinen Kumpanen sagte:
    »Der Alte liegt in den letzten Zügen! Gervique, Gradlin und Pierre Nouquet sind nicht viel besser daran! Die Kraft der Anderen schwindet von Tag zu Tag mehr; jetzt kommt der Augenblick heran, wo ihr Leben in unserer Hand liegt!«
    Es wäre thöricht gewesen, jetzt noch länger zu zögern, und so beschlossen Ludwig Cornbutte und seine Gefährten, ihre geringe Kraft zusammenzunehmen und in der folgenden Nacht die Schurken zu tödten, um nicht von ihnen den Tod zu empfangen.
    Die Temperatur war heute etwas weniger kalt, und Ludwig Cornbutte benutzte diesen Umstand zu einem Gang auf die Jagd.
    Durch verschiedene Spiegelungs-und Brechungseffecte getäuscht, entfernte er sich unvorsichtigerweise weiter von dem Schiffe, als es von vorn herein seine Absicht gewesen war, und setzte, obgleich Spuren wilder Thiere auf dem Schnee ihn hätten warnen sollen, und er schon etwa drei Meilen zurückgelegt hatte, seinen Weg noch immer fort, weil er durchaus frisches Fleisch mit nach Hause bringen wollte. Da überkam ihn ein eigenthümliches Gefühl, das ihm den Kopf verwirrte und ihm unerträgliche Uebelkeit verursachte; es war dies der »Schwindel der Weiße«.
    Die Rückstrahlung der Eisberge und Eisflächen erfaßte ihn nämlich mit solcher Gewalt, daß es ihm schien, als durchdringe ihn die intensiv weiße Farbe vom Kopf bis zu den Füßen; es war ihm zu Muth, als müßte er vor Weiße irrsinnig werden, so war sein Auge davon gesättigt, so schweifte sein Blick von weiß auf weiß. Aber ohne sich von dieser furchtbaren Wirkung Rechenschaft zu geben, ging er weiter und störte bald ein Schneehuhn auf, das er eifrig verfolgte und auch alsbald erlegte. Der Vogel fiel herab, und Ludwig Cornbutte sprang, um ihn zu holen, von einer Eisscholle auf die Fläche nieder. Aber anstatt einen Sprung von zwei Fuß zu thun, wie die Strahlenbrechung ihm vorgespiegelt hatte, war er zehn Fuß hoch hinabgestürzt und fiel, vom Schwindel ergriffen, schwer zur Erde. Obgleich Ludwig sich hierbei nicht verletzte, begann er doch – ohne eigentlich zu wissen, weshalb – um Hilfe zu rufen, und stand erst nach einigen Minuten, als er merkte, daß die Kälte ihn übermannte und der Trieb der Selbsterhaltung die Oberhand gewann, mühsam wieder auf.
    Plötzlich drang ein Duft wie von angebranntem Fett zu ihm herüber, ohne daß er sich die Entstehung desselben erklären konnte. Da der Wind von der Richtung des Schiffes her wehte, mußte er vermuthen, daß der Geruch von dort käme, fragte sich aber vergebens, zu welchem Zweck man auf der Brigg Fett verbrenne, da solche Ausdünstung durch die

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