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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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fünfundvierzig Rappen im Tag besser dran...
    Der Avezzano hielt eine Rede, weiss Gott, der Mann hatte ein Maul wie... Aber lassen wir die Vergleiche. Wir hatten ihn zum »Major de table« gewählt. Er hatte sein Bajonett hinausgeschmuggelt, nun lag es neben seinemTeller. Hin und wieder packte er es am Griff und schlug mit der Klinge klatschend auf den Tisch. Er befahl Lieder. Wir sangen – deutsch, französisch, es klappte sehr gut. Die einen sangen: »Trittst im Morgenrot daher...«, die andern: »Sur nos monts, quand le soleil...« Senn dirigierte mit den Händen – es ging ausgezeichnet, und wir waren stolz. Nachher wurde es still. Avezzano sagte: »Sergeant Senn hat das Wort.«
    Senn stand auf. Er hatte ein mageres Asketengesicht, und die Sonne hatte der Blässe seiner Haut nichts anhaben können. Er sprach, als ob er auf einer Kanzel stünde, aber was er sagte, war nicht langweilig wie manche Sonntagspredigten. Es wurde ganz still. Er sagte etwas von der Heimat, er sprach von den Seen, er sprach von den Bergen. Wir sahen die grossen Feuer auf den Hügeln, wir sahen die hohen Münstertürme – ja, wir glaubten auch, wie durch einen umgekehrten Feldstecher, die weissen Alpen zu sehen, ganz klein, ganz nah... So schön sprach der Sergeant Senn...
    Dann kam die schönste Überraschung des Abends. Ein Photograph stellte seinen Dreifuss auf, wir gruppierten uns vor der Fahne, auf der die zwei weissen Kreuzesstreifen unregelmässig aufgenäht waren. Ein Magnesiumblitz...
    Es hat dann jeder von uns mindestens zwei Abzüge bestellt. Viele haben sie heimgeschickt. Man sieht darauf Avezzano, der in der Hand eine weisse Kartontafel hält, auf der in dicken Buchstaben geschrieben steht:
    »Erinnerung an den 1. August in der Fremdenlegion.«
    Hernach wollte noch einer, der vielleicht doch den Wein nicht recht vertragen hatte, das sogenannte Legionärslied anstimmen: »Gefangen in maurischer Wüste, sitzt ein Krieger mit wehmüt'gem Blick...« Aber der Theologe erklärte ihm, ein Schwab' habe das Lied gedichtet, und da wollten wir nicht singen. Überhaupt waren wir gar nicht sentimental aufgelegt.
    Nur der kleine Gerber, der noch jung war und sehr blond,fragte mich, ob ich Kandersteg kenne. Dort hätte ich einen Teil der Rekrutenschule gemacht, sagte ich ihm, bei der Gebirgsartillerie. Da seufzte der Gerber und meinte in seinem komisch singenden Oberländerisch, dort sei es doch nicht so heiss wie hier in der Wüste (Wiieschti, sagte er). Er war erst vor einem Monat gekommen und glaubte noch immer, Bel-Abbès liege am Rande der Sahara. – Übrigens, Heimweh hatten wir alle ein wenig, aber warum es zeigen? Bis jetzt hatten wir noch nicht zu klagen. Unser Bataillon war noch nicht »im afrikanischen Felsental« marschiert... Und schliesslich mussten wir eben die Suppe auslöffeln, die wir uns eingebrockt hatten...
    Um ein Uhr machten wir Schluss. Es war ein grosser Mond am Himmel, sein Licht lag auf dem Boden, fest und dick, wie geronnene Milch. Wir gingen noch ein wenig spazieren. Ein paar wollten abschwenken, den Rest der Nacht noch irgendwo angenehm verbringen... Aber Senn war dagegen. Und als Theologe hatte er grosse Autorität. Gerber, blond und jung, ging neben mir. Er summte zwischen den Zähnen: »Niene geits so schön...«
    Um vier Uhr kamen wir in die Kaserne zurück. Ein anderer Wachthabender war da. Dem mussten wir alle sechzig unsere Permissionen zeigen. Der Mann hasste uns Schweizer.
    Dann versuchten wir eine Stunde zu schlafen. Aber ich glaube, alle sind wach gelegen. Nicht nur wegen dem Wein. Aber die Lieder, die summten immer noch in unsern Köpfen. Wissen Sie, die Lieder, die sind manchmal viel ärger als das Alphorn, von dem das Lied zu singen weiss, das Lied von der Strassburger Schanz, wo das Trauern anfing...

Seppl
    Als der alte Kainz, ein Wiener, mit zahnlosem Mund, der nicht mehr gut marschieren konnte, wegen Herzschwäche in die Küche versetzt wurde, hielt er mir eine kleine Rede. Er sagte, ich solle den Seppl gut behandeln, es sei kein Tier wie ein anderes, bockig sei er ja schon manchmal, wie alle Maulesel, aber das Bockigsein habe immer seinen Grund. Er tue es nie aus Bosheit, sagte der alte Kainz und zündete eine Pfeife an (er war der einzige in unserer berittenen Kompagnie vom dritten Fremdenregiment, der die Pfeife rauchte), sondern es sei immer ein Grund vorhanden, wenn der Seppl dumm tue, entweder drücke ihn der Sattelgurt, oder ein Büschel Haare habe sich unter der Satteldecke

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