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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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hatten von ihren Pferden herab, kamen wieder angeritten, machten nocheinmal kehrt. Wir mussten vor. Da hör' ich ein Gelächter hinter mir, ich dreh' mich um: Der Seppl galoppiert auf mich zu, hält vor dem Maschinengewehr, beschnuppert es, verzieht die Nase (das Rohr riecht wirklich nicht gut, nach heissem Metall und rauchlosem Pulver), stellt sich vor die Mündung und bleibt bocksteif stehen.
    »Vorwärts!« brüllt der Leutnant. »En avant!«
    Aber ich kann doch nicht am Seppl vorbei. Der Seppl steht da, so als ob er mich decken wolle. Mein Kamerad lacht mich aus. Da rede ich gütig auf den Seppl ein: »Geh zurück!« sag' ich. »Seppl, sei brav! Du hast hier nichts zu suchen!« Dann seh' ich mich um, wo denn die Stallwache bleibt. Richtig, dort hinten läuft einer und fuchtelt mit den Armen ... Aber bis der bei uns ist! Also steh' ich auf, ich muss doch vor, der Leutnant hat es befohlen ... Ich lad' das Maschinengewehr auf die Schulter, sag' noch einmal: »So, Seppl!« Da tänzelt der Seppl vor mir her. Immer zwei Schritte Distanz hält er, so dass ich ihn nicht am Halfter packen kann. Tänzelt vor mir her, dem Feind entgegen, der gerade gegen uns anreitet. Und wieder, wie vorhin, zweihundert Meter etwa vor uns, schiesst er aus allen Flinten, macht kehrt, jagt davon ...
    Vor mir tanzt der Seppl, tanzt wirklich. Er deckt mich mit dem ganzen Körper und tänzelt seitwärts, wie ein dressiertes Pferd im Zirkus. Er schüttelt unwillig den Kopf, weil die Leute da vor uns soviel Lärm machen ... Dann ist der Lärm vorbei, dort vorne haben sie kehrt gemacht ... Ich sehe, dass einer sich noch im Sattel umwendet, zielt, schiesst ...
    Der Seppl zuckt zusammen. Sein Hals, sein glatter grauer Hals, den ich so oft getätschelt habe, ist gerade vor meinen Augen. »Hopp, Seppl!« ruf ich noch, »wir müssen pressieren!«
    Da fällt der Seppl um. Es ist wie beim Tränken. Auf einmal ist er nicht mehr da. Doch, da ist er ja ... Zwei Schritte, links von mir, wälzt er sich auf dem Boden, alle viere gen Himmel gestreckt, und seine winzigen Hufeisenglänzen in der Sonne. Dann liegt er auf der Seite, rührt sich nicht mehr. Da seh' ich, dass er ein grosses Loch im Hals hat – die Dschischs schiessen immer mit runden Bleikugeln, die grosse Wunden schlagen –, und aus dem Loch in seinem Hals gurgelt das Blut, und dann wird das dürre Alfagras ringsum rot, nicht lange, denn der Sand schluckt die Flüssigkeit ...
    »Aus!« sagt mein Kamerad.
    Ich bin dann vor und habe immer den Kopf geschüttelt, so arg den Kopf geschüttelt, dass ich mich ein paarmal am Rohr gestossen habe. Eigentlich hatte mir der Seppl das Leben gerettet. Wie kam das Tier dazu? Tier! Tier! Er hatte etwas gemerkt, das schien mir sicher. Und gelacht hat er auch noch!...
    Dann waren wir wieder in Stellung. Aber ich hab' nicht schiessen wollen. Dummerweise haben mir die Pferde der Räuber leid getan. Blöd, so etwas. Ich habe das Maschinengewehr auseinandergenommen, und dann habe ich das Ventil ausgeblasen, so stark, dass mir die Tränen in die Augen getreten sind.
    »Ladehemmung!« habe ich zum Leutnant gesagt, der hat reklamieren wollen. Und dann habe ich an den alten Kainz denken müssen, der auch in das Mundstück seiner Pfeife geblasen hatte, bis er Tränen in die Augen bekam, damals, als er Abschied genommen hatte vom Seppl ...

Kif
    Mammut war mein Freund. Nach seinem Berufe habe ich ihn nie gefragt, denn es ging mich nichts an, womit er sich sein Leben verdiente in dem einzimmrigen Haus an der Grenze zwischen dem Araberviertel von Bel-Abbès und dem sogenannten »Village nègre«, dem Dorf der billigen Lust.
    Einmal war ich in eine Schlägerei geraten, unvermutet. Matrachen-Hiebe fielen rund um mich, dicht wie Hagel. Da nahm mich jemand einfach unter den Arm, trug mich aus dem Getümmel und stellte mich in einem weiss gekalkten Zimmer ab, über das eine Karbidlampe grelles Licht spuckte.
    Von da an kam ich Mammut jeden Abend besuchen, und stets war er umgeben von einem Kreis schwarzer keifender Strassenverkäufer. Sobald ich unter der Tür erschien, stand er auf, streckte mir die Hand entgegen, und es war eine wahrhaft königliche Gebärde, führte den Zeigefinger an die Lippen: »La bes, Chuja?«
    »La bes, la bes.« (Geht's gut, Bruder? – Es geht, es geht.) Mammut war gross. Fast zwei Meter hoch; er trug einen blauen Mantel über einem weisswollenen Hemd, dazu gelbseidene Pumphosen, die knapp unter dem Knie aufhörten. Um die Waden spannten sich nagelneue

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