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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Kameradschaft. Vielleicht hat er sich deshalb so an mich angeschlossen. Es ist ja bekannt, dass Einzelgänger unter den Tieren sich viel leichter an den Menschen anschliessen als Herdenzottler.
    Was wollt ihr? Manchmal ist man traurig, man mag mit keinem Menschen reden. So sprach ich dann mit dem Seppl. Besonders auf den langen Märschen, wenn die Strasse als endlos grauwogendes Band zwischen den Eselsohren abläuft, wenn die Sonne sticht und die roten Felsen der Berge die Hitze zurückwerfen. Dann sagte ich manchmal: »O Seppl!« und Seppl verstand, was alles in den zwei
    Worten enthalten war. Er nickte weise, nickte immerzu, bis mir ganz schwindlig wurde und ich einschlief auf dem Sattel. Seppls Trab war so gleichmässig, er folgte so unerschütterlich dem baumelnden Schwanz des Vordertieres, dass ich ihm ruhig die Zügel über den Hals legen konnte. Wenn es Pause gab, fühlte ich das bekannte Stupfen am Knie und wusste, was los war. Seppl war sehr zuverlässig ...
    Es gab auch die Abende, an denen man müde ankommt und hungrig ist. Brennstoff gibt es genug. Auf den Ebenen zwischen den roten Bergen wächst das zähe Alfagras als Heu. Futtermittel ist es, wenn die Gerste ausgegangen ist, und Brennstoff für die Küche, wenn kein Oued in der Nähe ist und somit auch kein Holz, da müssen die Köche die Suppe kochen mit Gras und wildem Thymian. Dann gibt es die halb oder ganz vom Sand verschütteten Brunnen – und wenn man Brunnen sagt, so ist das eine Übertreibung. Sandlöcher sind es, man muss graben, das Wasser einfliessen lassen und es dann sorgfältig abschöpfen, damit man die Tiere tränken kann. Denn Sandwasser ist Gift für sie ... Wir kochten dann mit dem unteren Schlamm, und der Reis wurde braun, als ob er mit Schokolade gekocht worden wäre: Der Sand knirschte zwischen unsern Zähnen.
    An einem dieser Abende war es, dass der Seppl zu arg Durst hatte und mir zum Sandloch – will sagen zum Brunnen – durchbrannte und sich vollsoff. – Das gab eine schlaflose Nacht. Er hatte Schmerzen, der Seppl, seine Nase war ganz heiss, er ächzte, und der Humor war ihm vergangen. Er wollte sich immer niederlegen, um zu schlafen – vielleicht um ruhig zu sterben, aber selbst wenn nicht strenger Befehl gewesen wäre, ein Tier mit allen Mitteln zu retten, ich hätte den Seppl doch nicht gern sterben lassen, denn ich mochte ihn gern. Ich hatte wohl ein paar Freunde, was man so Freunde nennt, aber der Seppl, das war etwas anderes. Das Gefühl für ihn kam von tiefer her, ich weiss nicht aus welchen Schichtenmeiner Seele, das geht mich ja schliesslich auch nichts an, aber ich hätte lieber einem meiner Freunde eine Kugel gegönnt, als dass ich den Seppl an Kolik hätte sterben lassen. Ja, sterben! – Die Leute sagen immer von einem Tiere, es »verreckt«. Ich mag das Wort nicht. Ich habe es manchmal auf Menschen angewandt, und da stimmte es. Aber ein Tier? Tiere haben auch im Sterben Haltung, was man von vielen Menschen nicht behaupten kann ... Nun, die Nacht ging herum. Seppl stöhnte, manchmal schob er seinen Kopf unter meinen Arm, einmal hat er mich sogar gebissen – nicht eigentlich gebissen, geklemmt, mit seinen langen, vorstehenden Engländerinnenzähnen. Ich hatte dann blaue Flecken. Aber das schadet nichts. Um zwei Uhr morgens nahm Seppl dann gnädig ein Stück Brot aus meiner Hand, kaute es zufrieden. Ich glaub', es war ihm lieber als die Schleimsuppe, die man uns immer einschüttet, wenn wir den Magen verdorben haben.
    Am nächsten Morgen – wir brachen schon um drei Uhr auf – bin ich dann nicht aufgesessen. Ich hielt Seppl am Zügel und führte ihn. Ich erzähle das nicht, um mich zu rühmen. Es war auch weiter nichts Rühmenswertes dabei, denn das Thermometer zeigte sechzehn Grad unter Null. Das gibt es dort unten. Übrigens war es gerade November ...
    Ja, es war vierzehn Tage später, da wurde unsere Kompagnie von einem Dschisch angegriffen. Dschisch – das ist so eine Art Räuberbande. Ich musste mit meinem Maschinengewehr fort, und Seppl wurde mit den andern Tieren in Deckung geführt. Die Räuber ritten an, ich weiss nicht mehr genau, auf was sie es abgesehen hatten, ich glaube, es war das Auto des Zahlungsoffiziers. Ich war sehr eifrig damit beschäftigt, die Befehle auszuführen, die unser Leutnant herüberbrüllte – man brauchte ja nicht leise zu sprechen. Es waren Zahlen zum Einstellen des Rohres, und ich musste aufpassen. Vor uns ritten die Räuber an, machten kehrt, nachdem sie geschossen

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