Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
Sockenhalter, an denen die Socken hingen. Ihr Rot erinnerte an gepunschten Wein.
    An einem Abend fiel mir sein Tun auf. Er war damit beschäftigt, getrocknete Tabakblätter zwischen seinen Handballen zu zerreiben. Dann stand er auf, holte aus einem Wandschrank andere Blätter, grüne, zerrieb auch diese und mischte ihren Staub unter das braune Pulver. Hernach stellte er in die Mitte des Kreises eine alte Champagnerflasche mit weitem Hals. Durch ihren Korken war einRöhrlein getrieben, das bis auf den Grund der Flasche reichte, die bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Oben trug das Röhrlein einen Pfeifenkopf. In die gläserne Seitenwand war ein Loch gebrochen worden und in diesem mit Glaserkitt ein zwei Spannen langes Schilfrohr befestigt, von mindestens zwei Zentimetern Durchmesser. Das Ganze war eine sehr primitive Wasserpfeife. Den Kopf füllte Mammut mit dem Gemisch, das er hergestellt hatte, legte eine glühende Kohle darauf und nahm den ersten Zug. Er sog ihn tief in die Lunge, nahm noch einen und gab dann die Pfeife an mich weiter.
    »Was ist das?« frug ich.
    »Lakef.«
    »Was ist Lakef?«
    »Man sagt auch Haschisch.«
    Ich war nicht frei, ich hatte Rücksichten zu nehmen. Ich konnte es mir nicht leisten, um zehn Uhr betrunken heim zu kommen. Mammut, der Mulatte, erriet meine Gedanken. Er betrachtete mich lächelnd, und es war ein brüderliches Lächeln.
    »O Chuja!« sagte er, »o Bruder! Glaubst du, dass ich will, dass du bestraft wirst? Du sollst gut schlafen heute nacht, aber trink keinen Wein!«
    Ich folgte seinem Rat und trank nur Tee. Er liess ihn holen für mich vom nahen Kaffeetatschi.
    Dreimal noch wurde die Pfeife gefüllt, geleert, dann ging Mammut wieder an den Wandschrank, kam zurück mit einer Handvoll grüner Blätter, die er zerrieben in einen alten Teetopf schüttete; dann vermischte er sie mit entkernten Datteln, zermahlenen Erdnüssen und Honig.
    »In zwei Wochen«, sagte er, »darfst du die Konfitüre kosten, nicht früher.«
    An diesem Abend geschah weiter nichts. Ich kehrte heim und schlief, schwer und tief.
    Nach vierzehn Tagen gab mir Mammut von der Konfitüre zu kosten. Es war ein Sonntagnachmittag. Ich schluckte einen vollen Kaffeelöffel von dem Zeug, und da ich denGeschmack merkwürdig fand, nahm ich nach dem ersten Löffel einen zweiten, obwohl mir Mammut mit dem Zeigefinger drohte, der lang war und schlank, braun, wie der gestutzte Schössling eines Apfelbaums.
    »Haschisch!«
    Ich hatte Haschisch gegessen und erwartete nun, ein Paradies Mohammeds zu sehen.
    Es war etwa drei Uhr, als ich die Mixtur schluckte. Sie schmeckte körnig, würzig und roch ein wenig, ein ganz klein wenig nach faulem Fleisch. Und dann sang Mammut. Das Instrument, mit dem er sich begleitete, bestand aus einem getrockneten Kürbis, auf den ein Stecken genagelt worden war. Eine einzige Metallsaite spannte sich vom Stiel des Kürbisses bis zum Ende des Steckens. Auf dieser Saite fuhr Mammuts Daumen hin und her, und die Finger seiner Rechten zupften an ihr.
    Um vier Uhr empfahl ich mich, denn ein alter, magerer Kerl war gekommen, der mit Mammut wichtige Geschäfte zu besprechen hatte. Und beim Fortgehen machte ich mich über Mammut lustig: »Dein Haschisch«, sagte ich, »wirkt gar nicht, ich spüre nichts!«
    »Wart ab, Bruder, wart ab«, sagte Mammut.
    Ich bummelte heim, trank unterwegs ein Glas Weisswein mit Zitronensirup und spürte noch immer nichts. Es wurde fünf, es wurde halb sechs – nichts.
    Um sechs Uhr wurde bei uns zu Nacht gegessen. Es gab Schafragout und weisse Bohnen, daran erinnere ich mich noch genau, und ich ass viel, denn ich hatte Hunger.
    Nachher ging ich hinunter in den Hof – und spürte die erste Wirkung des Hanfes, des Haschisch.
    Ein weisses Hündlein lief im Hof herum, beschnupperte Baumstämme, Ecksteine, und schliesslich schnupperte es auch an den blankgewichsten Gamaschen eines Offiziers. Des Hündleins Schwanz war geringelt. Und dieses Schwänzlein, verbunden mit den blankgewichsten Gamaschen, liessen eine riesige Woge aus dem Boden wachsen, sechsmal höher als ich, glasklar und bläulich. Doch sie bestandnicht aus Wasser, diese Woge, sondern aus Gelächter. Sie rollte heran und überflutete mich, das heisst, ich musste lachen, ich bog mich vor Lachen, doch war das nicht lustig – durchaus nicht, denn es tat verteufelt weh. Das Zwerchfell krampfte sich schmerzhaft zusammen, lockerte sich, und wieder begann der Krampf.
    Eine tiefe Stimme herrschte mich an. Sie gehörte

Weitere Kostenlose Bücher