Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
doch vorsichtig sein, dass ich mich nicht verschnappe, er darf ja nicht wissen, dass ich weiss, und vielleicht weiss er doch ... Eine richtige Strindbergsituation, von einem schweizerischen Strindberg entworfen, aber gerade wie ich ansetze zur Rede, fährt er schon fort. »Schau, ich will ganz ehrlich sein mit dir, Finanzminister, ich hätte ja mit ihr durchbrennen können, mit Mowgli, ich hab' sie gern, aber das würd' nicht gehen. Wir sind einander zu ähnlich, verstehst du? Vorgeschlagen hat sie mir's ja, denk dir, sie hat sogar ihren Schmuck verkaufen wollen. Aber ich hab' nein gesagt. Und dafür sollst du mir dankbar sein. Du musst ihr das aber nicht vorwerfen, sie kann ja nichts dafür, ich werd' schauen, dass ich mich so bald als möglich von hier drücken kann. Aber ich weiss nicht recht, was ich anfangen soll. Du verstehst solche Sachen wohl nicht, Finanzminister, nämlich, dass man eine Frau im Blut haben kann. Das ist unangenehm. Was will man da machen?« Ja, da bin ich stehen geblieben. Vorher haben unsere Schritte im Laube gerauscht, und die Zweige der Büsche am Wegrand haben geklirrt, es war elend kalt, und mein Unterkiefer hat angefangen zu zittern, ich musste die Zähne zusammenbeissen – aber ich brachte kein Wort heraus.
    »Komm«, sagt da dein Doppelgänger, »komm, Finanzminister, wir wollen trinken gehen. Kennst du keine Beiz in der Stadt, wo man sich einmal ordentlich besaufen kann?«
    Und packt mich unter dem Arm und schlagt einen Galopp an, dass ich mit meinen kleinen Beinen gar nicht mitkomme. Es ging bergab, die Wege waren glitschig, aber er hält mich fest, manchmal, wenn ich stolpere, lüpft er mich, so dass ich glaube, ich fliege. Dann waren wir in der Stadt. Und dann hockten wir in der Beiz. Cognac, dann Rotwein, dann Weissen, dann wieder Schnaps. Alles auf nüchternen Magen. »Prost, Finanzminister«, sagte er, aber er blickte mir nie in die Augen, starrte auf den Tisch. Das viele Trinken hat mir Courage gegeben, weisst du, ich kann sehr böse werden, ich bin jähzornig, das ist eine Erbschaft von meinem Vater ... der hat mich manchmal geprügelt, im Jähzorn, dass die Mutter mich hat fortreissen müssen, sonst hätte er mich totgeschlagen ... Und so eine Wut ist plötzlich über mich gekommen, ich hätte den Kerl da vor mir, der so stumpfsinnig trank und mich verhöhnte mit seinem Finanzminister, glatt erwürgen können. Aber ... ja, aber ... es stand zu viel auf dem Spiel. In der Stadt klatschten sie ohnehin schon über mich und fragten mich so spöttisch, ob meine Frau denn zufrieden sei mit dem neuen Zimmerherrn, und erzählten mir Witze über Hörner und solche Sachen, und ob ich es bald zu einem Sechzehnender bringen werde, man sehe das Geweih ja wachsen; – wie sie es in einer Kleinstadt eben tun ... Aber ich hatte doch nur Verachtung für die Leute ... Ich blieb still, aber ich wurde langsam rot, vielleicht habe ich auch mit den Zähnen geknirscht, es war eine aufregende Situation, das begreifst du doch, einem so gerade auf den Kopf zu sagen, dass die eigene Frau einen hat verlassen wollen, mit wem? Mit einem kleinen Kunstmaler? Während man doch selber immerhin ein nützliches Mitglied der Gesellschaft ist und die rechte Hand vom Finanzdirektor, man gilt etwas ... ich gelte etwas, eine sichere Position ... und alles nur, weil ich zu gutmütig war, weil ich einen Menschen aus purer Güte vor dem Abgrund gerettet hatte ... Purer Güte? ... Wir wollen ehrlich sein. Glaubst du, Bruder Pit, ich habe nicht gemerkt, dass meine Frau nicht zufrieden war mit mir?Und ich hab' sie doch lieb gehabt. Wie sie damals am Abend zu mir gekommen ist und gesagt hat, dass ich dem Menschen da, dem Kunstmaler, der traurigen Giraffe helfen soll, wie hat sie da ausgesehen? Weisst du das, du Stummer? Wie ein junges Mädchen hat sie ausgesehen, zehn Jahre jünger. Und ich hab' ihr doch eine Freude machen wollen, ein Spielzeug, nicht wahr? Ihr einen Teddybären schenken. Einen lebenden. Hat sie das nicht verstanden, hat sie nicht begriffen, dass ich gern bereit war, ein Auge zuzudrücken, wenn sie nur ihren Spass hat. Aber Spass, wohlverstanden, nur Spass ... Und da ist es ernst geworden? Kann sie von mir fort? Kann sie mich wirklich verlassen wollen, um mit solch einem Vaganten durchzugehen, und ich soll dem p.p. Vaganten noch dankbar sein, dass er ... dass er nicht eingestiegen ist, sonst wären sie über alle Berge ... Aber nicht lange wären sie über alle Berge gewesen, ich habe meine Connexionen,

Weitere Kostenlose Bücher