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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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ich weiss, wie ich mich zu verhalten habe in solchen Situationen, ich hätte die Bundespolizei hinter sie gehetzt, sie wären ins Gefängnis gekommen ... nicht wahr, man kann immer so etwas inszenieren, Anklage auf Diebstahl, nicht wahr? Das wäre doch eine Haupt- und Staatsaktion geworden, ich hätte mich rächen können. Warum ist er nicht mit ihr fort? Sondern erzählt mir noch die Sache? Der soll aber seinen Finanzminister noch kennenlernen, ich will schweigen, sag' ich zu mir, aber dich Bürschlein, dich erwische ich noch in der Kurve. Wart du nur, denk' ich; und sage in aller Seelenruhe: »Prost, Pit, bist ein guter Kerl.« Er schaut auf, und jetzt zum erstenmal lässt er seine Augäpfel langsam aufwärts rollen, bis wir uns in die Augen schauen. Dann lächelt er mit seinem breiten Mund, zeigt seine gelben Zähne und sagt langsam, während er mit mir anstösst: »Tu's nicht, Finanzminister, ich hab' dir ja nicht weh tun wollen. Aber ein wenig Sauberkeit ... Ihr habt alle so wenig Sauberkeit ... Nur Kompromisse kennt ihr. Und dann bildet ihr euch soviel ein, auf eure Zivilisiertheit ... Wir sind doch alle arme Hunde, du, Finanzminister, ich und das Mowgli.« Dann lässt er dieLider zuklappen, fuhrwerkt in seiner Tasche und zündet sich eine Zigarette an. Zieht den Rauch tief ein und sagt: »Wir wollen heimgehen. Aber dass du mir dem Mowgli nichts sagst, sonst ...« Und droht mir mit seiner Spachtelhand.
    Dann ging es Schlag auf Schlag. Ob er Mowgli sagte, dass er mit mir gesprochen hat, weiss ich nicht. Aber meine Frau bekam Angst vor mir. Denk dir doch so etwas: Schickt sie mir den Vaganten weiss Gott eines Tages ins Büro, es war an einem fünfzehnten, glaub' ich, und lässt mich fragen, ob ich ihr nicht hundert Franken schicken könne, sie müsse Rechnungen bezahlen. Dabei gab ich die Hälfte meines Gehaltes als Haushaltungsgeld, vierhundert Franken, und die Wohnungsmiete hab' ich immer selbst bezahlt. Das hab' ich nicht verputzen können. Und dann kam's noch ärger. Ich hab' natürlich dem Pit zu verstehen gegeben, es wäre mir lieber, er würd' nicht mehr bei uns essen, hab' ihm eine gute Pension angeraten und ihm ans Herz gelegt er soll sich ein anderes Zimmer suchen. Tat er dann auch, hat aber keins gefunden, so hockte er immer in seinem Dachzimmer, und ob die Frau ihn noch sah, weiss ich nicht, ging mich nichts an ... Ihren Teddybär ...
    Und dann kam der grosse Krach. Wir waren alle drei eingeladen eben bei jenem Sekundarlehrer, es war ein fideler Abend, ich bin richtig aufgetaut, der Wein war gut, und die Frau vom Sekundarlehrer, die war nicht wie üblich, hatte Sympathie für mich, ich war wohl eine angenehme Abwechslung gegen ihren Mann, das Knochengerüst. Nur Mowgli ist den ganzen Abend abwesend herumgesessen; direkt unhöflich war sie diesen netten Leuten gegenüber, und ich brauchte doch den Mann, den Sekundarlehrer, er war Vorsitzender von irgendeiner Wahlkommission. Also, auf dem Nachhausewege sage ich ihr ganz nett und freundschaftlich, sie müsse sich ein wenig mehr zusammennehmen, ihre Launen etwas zügeln ... Nun, was man bei diesen Gelegenheiten eben sagt. Sie antwortet spitz, sie werde wohl noch tun und lassen können, was ihr beliebe,und wenn sie Kopfschmerzen habe, so könne sie doch nicht lustig sein, und übrigens ginge ihr die Frau Sekundarlehrer auf die Nerven. – Worauf ich anmerkte, dass sie mir meine Stellung nicht noch mehr erschweren solle, ich hätte ohnehin zu kämpfen genug, und die Missstimmung in den bürgerlichen Kreisen der Stadt sei ohnehin gross gewesen bei meiner Heirat, und die Leute hätten viel geklatscht. – Gewiss, das hätte ich nicht sagen sollen, aber ich hatte ziemlich Rotwein genossen. Übrigens ging Mowgli zwischen uns, ich als Ehemann ging an ihrer linken Seite, Pit hatte sie rechts untergefasst. Darauf schweigt Mowgli, dann schluchzt sie einmal trocken auf und macht ihren Arm von mir frei. Aber den Pit lässt sie nicht los. Schwierige Situation, kannst du dir denken; warten wir, bis wir daheim sind, dort wird sich alles klären, sobald uns der Kunstmaler allein lässt. Aber der Pit, der drängt sich uns nach, in die Wohnung, statt in sein Bodenzimmer zu steigen, und nun stehen wir alle im Salon. Mowgli trug eine kurze Pelzjacke und einen kleinen, schwarzen Hut mit einem Schleier, der ihr Gesicht bis zur Nasenspitze bedeckte. Sie setzt sich auf die Ottomane, ich bleibe ihr zu Häupten stehen, Pit pflanzt sich am Fussende auf. Und da stehen wir. Ich rede

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