Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
gehalten, der sich um die letzte Schönheitskonkurrenz und das Lächeln der Lilian Harvey mehr kümmert als um ... So, so, auch du bist Maler ... Brotlose Kunst, oder ... Du verkaufst gut? Ja, dann ... Natürlich, Plakate und Graphik, das geht noch, da lässt sich wohl ein wenig Geld damit verdienen ... Glaub's schon, dass du schwer hast unten durchmüssen ... Ihr seid eben Idealisten, Ihr Maler und Künstler, aber wenn Ihr uns nicht hättet, uns Männer des praktischen Lebens, so würdet Ihr ja glatt vor die Hunde gehen ... Ich will schauen, ob ich dir nicht ... ich kann viel ausrichten ... eine Bestellung verschaffen kann. Man fragt mich oft um Rat in Kunstdingen, ich gelte als Sachverständiger, weisst du, der Stadtpräsident hört auf mich, und damals hat er auch auf mich gehört, als ich mit ihm wegen Pit verhandelte ... Gib nur acht, dass ich Euch beide nicht durcheinanderbringe.
    Was wollte ich erzählen? Prost! Auf guten Erfolg ... Weisst du, da war auch einmal so ein Abend, es war nach dem Weihnachtsabend, von dem ich dir erzählt habe. Er hatte uns damals ein Bild geschenkt, ich habe es auf den Estrich getan, weil ich es nicht mehr sehen konnte. Denk dir doch, ich hatte ihm bei uns daheim ein Atelier eingerichtet, nun, ein richtiges Atelier war es nicht, eine grosse Bodenkammer, aber Nordlicht hatte es. Mowgli hatte zu mir gesagt: »Siehst du denn nicht, dass der Junge Ordnung braucht, ein geregeltes Leben? Wir wollen ihn bei uns behalten, die Kammer oben ist frei, da kann er malen oder zeichnen, wenn er Lust hat. Und essen kann er bei uns.« – »Ja«, habe ich gesagt, »bong und schön, aber er muss schauen, dass er uns Miete zahlt, Pension, meine ich, so hundert Franken wird er schon aufbringen können. Ich will schauen, dass ich ihm Bestellungen verschaffe. Aber zuerst muss ich natürlich sehen, was er kann.« Seine Bilder waren irgendwo in der weitenWelt, das eine hier, das andere da, es schien, als sei es ihm ganz Wurst, was mit seinen Werken geschehe. Dann kamen endlich zwei, das eine sollst du sehen, es ist eben jenes, das ich auf den Estrich gestellt habe. Es war merkwürdig, es war sehr, sehr merkwürdig: Stell dir vor, ein Holzpferd, wie man es auf den Karussells sieht, im Vordergrund, und darauf, im Damensitz, ein Weibsbild mit einer ganz weissen, ausdruckslosen Fratze. Dieses Weibsbild trug einen blauseidenen Rock, aber die Seide war so durchscheinend, dass man den roten Unterrock erriet, den sie darunter trug. Und hinter diesem Weibsbild, steif aufgepflanzt, drei Männergestalten, eckig, verschlafen: ein Pierrot, ein Arbeiter, in braunem Anzug, und ein Gigolo im Frack. Und die Gesichter der drei waren sehr ähnlich, nur trug jedes einen verschiedenen Ausdruck, einen verschiedenen Ausdruck der Verschlafenheit. Ich hab' mir das Bild angesehen, hab' den Pit angesehen und gefragt: »Sind das nicht drei Selbstporträts?« – »Vielleicht«, hat er geantwortet. – »Und ist das symbolisch gemeint, diese drei Figuren mit Ihrem Gesicht?« – »Quatsch, symbolisch!« hat er gesagt. »Sehen Sie denn nicht, wie das gelöst ist? Ich meine in den Farben? Ich garantiere Ihnen, so ein verrücktes Violett, wie der Rock, der doch eigentlich blau ist, das hat nicht einmal der alte Renoir fertiggebracht, und der konnte doch allerhand ...« Ja, siehst du, Pit, das ist es eben, wenn man diesen Leuten mit Höherem kommt, mit urtümlichen Bildern oder mit dem Kollektivunterbewusstsein, da versagen sie, da verstehen sie nichts mehr. Da reden sie von Handwerk ... von Handwerk, spielen sich als solide Arbeiter auf, und in ihnen ist das Chaos, das Chaos, ich wiederhole es dir. Und du bist auch nicht anders, das seh' ich deinen Augen an; du bist ganz gleich, im Grunde, wie dein Namensvetter, wie dein Doppelgänger ... Wenn du mich ansiehst, denkst du nicht an das, was hinter meiner Stirne vorgeht, sondern du siehst nur, wie das Rot meiner Wangen zur Farbe meiner Augen passt, und welche Farbe du für meine Glatze wählen musst, damit das Ganze eine Einheit gibt. Du schüttelst den Kopf,meinst, ich sei besoffen? Gar nicht, ich sehe unglaublich klar. Du hast dich schwer getäuscht in mir, Pit, ich bin nicht nur der kleine dicke Mann, der Verse aus dem Wirtinnenlied singt, vielleicht bin ich auch etwas anderes. Wir haben alle zwei Gesichter, wenn nicht mehr ... Jetzt lachst du, das sei eine alte Weisheit, meinst du? Nun, ich bin nicht originell, ich kann es mir nicht leisten. Aber man wird wohl die Erkenntnisse

Weitere Kostenlose Bücher