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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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großer Dichter wurde. An diesem Abende warf ich mich meinem Vater zu Füßen.
    »Vater,« sagte ich, »verzeihe! Aber meine Seele strebt über das Einseifen hinaus. Es ist mein fester Entschluß, meinen Beruf zu wechseln. Ich will ein Herausgeber werden, ein Poet. Ich will Verse über das ›Bobsche Öl‹ niederschreiben. Verzeihe mir und bahne mir den Weg zur Größe.«
    »Mein lieber Thingum,« antwortete mein Vater (ich war Thingum getauft worden nach einem sehr reichen Verwandten, der diesen Namen führte), »mein lieber Thingum,« sagte er, indem er mich bei den Ohren aus meiner knienden Stellung emporzog, »Thingum, mein Sohn, du bist ein Maulheld und artest deinem Vater nach, denn du besitzt Seele. Außerdem hast du einen Riesenschädel, in dem eine ganze Menge Gehirnmasse stecken muß. Das habe ich schon lange bemerkt, und wegen dieser Eigenschaft war ich schon auf den Gedanken gekommen, einen Juristen aus dir zu machen. Diese Laufbahn ist aber jetzt nicht mehr vornehm, und die politische nicht mehr lohnend. Im großen ganzen hast du ja recht. Der Herausgeberstand ist immer noch der beste, und wenn du es fertig bringst, gleichzeitig ein Dichter zu werden, wie die meisten Herausgeber es sind, so wirst du wohl im Laufe der Zeit zwei Fliegen mit einer Klappe treffen. Zu deiner Ermutigung will ich dir im Anfange mit folgendem unter die Arme greifen: einer Dachkammer, Feder, Tinte und Papier, einem Reimwörterbuch und Exemplaren der Bremse . Mehr kannst du wohl nicht verlangen.«
    »Ich würde ein undankbarer Schuft sein, wenn ich das nicht anerkennen wollte«, antwortete ich begeistert. »Deine Freigebigkeit ist grenzenlos. Ich will sie vergelten, indem ich dich zum Vater eines Genies mache.«
    So endete meine Unterredung mit dem besten der Menschen, und sofort stürzte ich mich mit Eifer in meine poetische Beschäftigung, da ich hauptsächlich durch sie den Hochsitz eines Herausgebers zu erklimmen hoffte.
    Bei meinen Versuchen in der Reimkunst waren mir die Verse über das ›Bobsche Öl‹ eher ein Hindernis als eine Hilfe. Ihr Glanz erleuchtete mich nicht, er blendete. Bei der Betrachtung ihrer Vorzüglichkeit wurde ich naturgemäß sehr entmutigt, verglich ich sie mit meinen selbstgeschaffenen ›Produkten‹. So arbeitete ich also lange Zeit fruchtlos. Zulegt tauchte in meinem Gehirn einer jener außerordentlichen Einfal e auf, die hie und da das Gehirn eines genialen Mannes durchkreuzen. Es war folgender, oder, besser gesagt, folgendermaßen wurde er zur Ausführung gebracht: aus dem Bücherplunder eines alten Ladens, der im äußersten Winkel der Vorstadt lag, kaufte ich verschiedene alte, unbekannte und vergessene Bände zusammen. Der Buchhändler überließ sie mir spottbil ig. Aus einem derselben, das die Übersetzungen des Werkes Inferno eines gewissen Dante vorstel en sol te, schrieb ich mit besonderer Sorgfalt eine lange Stel e ab, die über einen Mann handelte, dessen Name Ugolino war, der Rangen in stattlicher Zahl besaß. Einem andern Buch, das eine Menge altertümlicher Schauspiele enthielt, die von einer Person geschrieben waren, deren Namen ich vergessen habe, entnahm ich in gleicher Art und mit gleicher Sorgfalt eine Anzahl Verse, die über ›Engel‹, ›frohe Botschafter‹, ›verdammte Wichte‹ und anderes dieser Art sich verbreiteten. Einem dritten, das die Schöpfung eines Blinden oder sonstwie Bestraften war, eines Griechen viel eicht oder Kalmücken – ich kann mich natürlich nicht jeder Einzelheit erinnern – entnahm ich ungefähr fünfzig Verse, die mit ›Achills Zorn‹ und ›Fett‹ und ähnlichen Dingen begannen. Aus einem andern, das, soviel ich mich entsinne, auch das Werk eines Blinden war, wählte ich ein oder zwei Seiten über ›Heil‹ und ›heiliges Licht‹; und wenn es auch eigentlich nicht ins Fach eines Blinden schlägt, über Licht zu schreiben, so waren die Verse in ihrer Art doch recht gut.
    Ich schrieb nun diese Gedichte, jedes für sich, ordentlich ab und unterzeichnete jedes mit Oppodeldoc (wirklich doch ein schöner, wohlklingender Name), steckte jedes einzeln in ein besonderes Kuvert und schickte je eines an jede der vier Hauptgazetten mit der Bitte um schnelle Veröffentlichung und schleunigste Honorarzahlung.
    Das Resultat dieses wohldurchdachten Planes (dessen Erfolg mir in meinem späteren Leben viel Arbeit erspart haben würde) überzeugte mich, daß manche Redakteure an der Nase herumzuführen ein vergeblicher Versuch ist. Es gab, mit den

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