Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche
Rechte – seine Haftzeit lebend beschlossen und die Verbannung zur ewigen Ansiedlung in Jakutien erhalten hatte. Das war noch härter als die gewöhnliche lebenslange Bindung an das dem Lager nächstgelegene Dorf – so wurde es dort auch später praktiziert, fast bis 1955. Gogoberidse erkämpfte für sich das Recht, in einer der Siedlungen an der Kolyma zu bleiben und nicht nach Jakutien überzusiedeln. Es war klar, dass der Organismus des alten Mannes eine solche Reise durch den Hohen Norden nicht aushält. Gogoberidse siedelte sich in der Siedlung Jagodnyj an, bei Kilometer 543 von Magadan. Er arbeitete dort im Krankenhaus. Als ich an den Ort meiner Arbeit bei Ojmjakon zurückkehrte, übernachtete ich in Jagodnyj und ging Gogoberidse besuchen, er lag im Krankenhaus für Vertragsarbeiter, lag als Kranker und arbeitete dort nicht als Feldscher oder Pharmazeut. Hypertonie! Extreme Hypertonie!
Ich trat in den Krankensaal. Rote und gelbe Bettdecken, grell irgendwo von der Seite beleuchtet, drei leere Betten – und auf dem vierten, bis zum Gürtel mit einer grellgelben Decke bedeckt, lag Gogoberidse. Er erkannte mich sofort, aber konnte vor Kopfschmerzen fast nicht sprechen.
»Wie geht es Ihnen?«
»Es geht so.« Die grauen Augen blitzten in der alten Lebendigkeit. Die Falten waren mehr geworden.
»Sie werden sich erholen und gesund werden.«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht.« Wir verabschiedeten uns.
Und das ist alles, was ich von Gogoberidse weiß. Schon auf dem Großen Land erfuhr ich aus Briefen, dass Aleksandr Gogoberidse in Jagodnyj starb, ohne Rehabilitierung zu Lebzeiten.
Das ist das Schicksal von Aleksandr Gogoberidse, der nur darum umkam, weil er der Bruder von Lewan Gogoberidse war. Doch zu Lewan – siehe die Erinnerungen Mikojans .
1970-1971
Lektionen der Liebe
»Sie sind ein guter Mensch«, sagte mir kürzlich unser Stegbauer – der Brigadezimmermann, der die Stege anlegte, über die man die Schubkarren mit Erde und Sand zum Waschgerät, zur Waschtrommel fährt. »Sie sprechen niemals schlecht und schmutzig über Frauen.«
Dieser Stegbauer war Issaj Rabinowitsch, ehemaliger Leiter der Staatlichen Versicherungsanstalt der Sowjetunion. Vor Zeiten war er unterwegs gewesen, um von den Norwegern das Gold für das verkaufte Spitzbergen im Nordmeer entgegenzunehmen, zwecks Konspiration, zwecks Verwischens der Spuren verlud er bei Sturmwetter die Säcke mit Gold von einem Schiff auf das andere. Er hatte fast sein ganzes Leben im Ausland gelebt und war vielen sehr reichen Leuten durch langjährige Freundschaft verbunden – Ivar Kreuger zum Beispiel. Ivar Kreuger, der Zündholzkönig , beging Selbstmord, aber 1918 war er noch am Leben, und Issaj Rabinowitsch war mit seiner Tochter bei Kreuger an der französischen Riviera zu Gast.
Die sowjetische Regierung suchte Aufträge im Ausland, und Gewährsmann für Kreuger war Issaj Rabinowitsch. 1937 wurde er verhaftet und bekam zehn Jahre. In Moskau blieben seine Frau und seine Tochter – die einzigen Verwandten. Die Tochter heiratete während des Krieges den Marine-Attaché der Vereinigten Staaten von Amerika, den Kapitän 1. Ranges Tolly. Kapitän Tolly bekam ein Schlachtschiff im Stillen Ozean und reiste von Moskau an seinen neuen Einsatzort. Davor hatten Kapitän Tolly und die Tochter von Issaj Rabinowitsch Briefe ins Konzentrationslager geschrieben – an den Vater und künftigen Schwiegervater –, der Kapitän bat um die Erlaubnis zur Ehe. Rabinowitsch trauerte und seufzte ein wenig und gab eine positive Antwort. Tollys Eltern schickten ihren Segen. Der Marine-Attaché heiratete. Als er ausreiste, durfte seine Frau, die Tochter von Issaj Rabinowitsch, ihren Mann nicht begleiten. Das Ehepaar ließ sich sofort scheiden, Kapitän Tolly fuhr an den Ort seiner neuen Bestimmung, und seine ehemalige Frau arbeitete irgendwo auf einer unbedeutenden Stelle im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten. Sie stellte den Briefwechsel mit dem Vater ein. Kapitän Tolly schrieb weder seiner ehemaligen Frau noch dem ehemaligen Schwiegervater. Es vergingen zwei ganze Kriegsjahre, und die Tochter Rabinowitschs wurde auf eine kurze Dienstreise nach Stockholm geschickt. In Stockholm wartete ein Sonderflugzeug auf sie, und die Frau des Kapitän Tolly wurde zu ihrem Mann gebracht …
Danach bekam Issaj Rabinowitsch ins Lager Briefe mit amerikanischen Briefmarken und auf Englisch, was die Zensoren außerordentlich reizte … Diese Geschichte mit der Flucht nach
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