Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Titel: Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
Vom Netzwerk:
internen Kommunikationskreise des Samisdat ein, wo sie unabhängig von ihrem Autor kursierten, gelesen, vielfach abgetippt und weitergereicht wurden. Ende der sechziger Jahre gelangten sie über verschiedene Kanäle ins westliche Ausland und wurden in russischen Emigrantenzeitschriften publiziert. Erste Übersetzungen ins Deutsche und Englische erschienen.
    Zu Lebzeiten Schalamows wussten vermutlich nur wenige Eingeweihte, dass es sich bei den »Erzählungen aus Kolyma« nicht um einzelne Erzählungen über den Lageralltag handelte, sondern um ein sorgsam durchkomponiertes literarisches Ganzes, genauer gesagt, um eine aus sechs Teilen bestehende Sammlung von Novellen. Das gesamte Textkorpus umfasst 155 Erzählungen, an denen der Schriftsteller über einen Zeitraum von nahezu zwanzig Jahren, zwischen 1954 und Anfang der siebziger Jahre, arbeitete. Die Datierungen der Erzählungen legen zunächst die Vermutung nahe, die sechs Zyklen folgten der Chronologie ihrer Entstehungszeit: Die dreiunddreißig Erzählungen des ersten Zyklus, der wie das gesamte Textkorpus den Titel »Erzählungen aus Kolyma« trägt, entstanden von 1954 bis 1962. Die Entstehungsdaten der Erzählungen aus den beiden folgenden Zyklen sind identisch – die fünfundzwanzig Erzählungen des zweiten Zyklus »Linkes Ufer« wie die achtundzwanzig des dritten Zyklus »Künstler der Schaufel« wurden zwischen 1959 und 1965 geschrieben. Die »Skizzen aus der Verbrecherwelt« des vierten Zyklus nehmen eine Sonderstellung ein, Schalamow verfasste sie alle innerhalb des Jahres 1959. Auch verweist bereits der Titel darauf, dass es sich um einen Texttyp handelt, dessen fiktionale Qualitäten zugunsten einer auf den Gegenstand – die Verbrecherwelt – bezogenen Darstellung in den Hintergrund treten. Der fünfte Zyklus »Die Auferweckung der Lärche« wiederum enthält dreißig Erzählungen aus den Jahren 1965 bis 1967, während die überwiegende Mehrzahl der einundzwanzig Erzählungen des letzten Zyklus »Der Handschuh« erst Anfang der siebziger Jahre, zwischen 1970 und 1973, entstanden. Die Ausnahme bilden vier Erzählungen aus den sechziger Jahren: »Der Mann vom Dampfer« (1962), »Lektionen der Liebe« (1963), »Der Oberstleutnant des Medizinischen Dienstes« (1963) und »Das Schachspiel von Doktor Kusmenko« (1967).
    Doch der erste Eindruck einer Anordnung der Erzählzyklen entsprechend der Chronologie ihrer Entstehung täuscht. Die Komposition der »Erzählungen aus Kolyma« folgt einer anderen Logik. Schalamow hatte klare Vorstellungen von der poetologischen Struktur der einzelnen Erzählungen wie aller Zyklen. Aus Selbstzeugnissen und aus Erinnerungen geht hervor, dass er in Fragen der Komposition zumindest in Einzelfällen das Gespräch mit anderen suchte. Belegen lässt sich ein solcher Austausch bislang nur für die sechziger Jahre. Das mag aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich der Gesundheitszustand Schalamows, insbesondere sein Hörvermögen, Anfang der siebziger Jahre deutlich verschlechterte, er zog sich in der Folge immer mehr in sich selbst zurück und brach die Kontakte zu vielen rigoros ab.
    Zu den wichtigsten Gesprächspartnern Mitte der sechziger Jahre gehörte Nadeshda Mandelstam, die Witwe des im GULag umgekommenen Dichters Ossip Mandelstam. Schalamow hatte 1965 das Manuskript der »Erinnerungen« Nadeshda Mandelstams gelesen und ihrer menschlichen wie literarischen Leistung, insbesondere ihrer »ökonomischen« und »sachlichen« Sprache hohes Lob gezollt. Sie hatte seiner Ansicht nach »eine neue Form der Memoria« in der russischen Literatur geschaffen, deren wohldurchdachtes Zusammenspiel so unterschiedlicher Strukturelemente wie eines chronologischen Berichts über das Leben des Dichters Ossip Mandelstam, Portraitskizzen, historisch-philosophischer Exkurse, Alltagsszenen oder auch kunstphilosophischer Reflexionen den Text zu einem bleibenden »Denkmal« des von Epochen- und Biographiebrüchen geprägten Jahrhunderts russischer Geschichte machte.
    Schalamow legte Wert auf ihr kritisches Urteil, er gab ihr seine Erzählungen zu lesen und gewährte ihr sogar einen Einblick in seine Überlegungen über den Aufbau der einzelnen Zyklen. So schrieb er Nadeshda Mandelstam in einem Brief vom 21. Juli 1965: »Im Band ›Künstler der Schaufel‹ muss als Abschluss ›Der Zug‹ stehen. Ich habe zwei neue Erzählungen aufgenommen, die ich Ihnen noch nicht zeigen konnte (›Die Jagd nach dem Rauch der Lokomotive‹ und ›RUR‹).

Weitere Kostenlose Bücher