Es bleibt natürlich unter uns
den Altar, und während es über den rot ausgelegten Mittelgang feierlich dem Ausgang zuschritt, erhob sich hoch droben auf dem Chor ein mächtiger Bariton, der das große Kirchenschiff bis in die letzten Winkel ausfüllte: ,Treulich geführt ..
Gottfried Malz von der Münchner Staatsoper! Bei Gott, der Pflanz hatte es sich wirklich etwas kosten lassen. Und wem bisher das Herz nicht geschmolzen war, dem gingen bei diesen männlich glutvollen und getragenen Klängen die Augen über. Hinter dem Brautpaar ordneten sich die vier jungen Damen ein, wie rosa Organdywölkchen anzuschauen, und hinter ihnen bot Herr Xaver Pßanz galant der runden Mutter des Bräutigams den Arm, während es dem Salteneder nicht einfiel, Frau Pflanz den gleichen Kavaliersdienst zu erweisen. Immer noch hatte er es mit dem Thoma...
„... mein liebes Kind, du kennst die G’schicht
noch lange nicht!
Liegst du erst drin im Ehebett
recht schmal...“
Sie griff nach seinem Arm und drückte ihn herunter: „Nimm dich gefälligst zusammen!“ zischte sie, während sie mit ihrem immer ein wenig maskenhaften Gesicht nach rechts und links Grüße erwiderte.
„Wo es doch vom Thoma ist...!“ kicherte er, „von unserm Ludwig Thoma... Für die Rosl vom Spöckmeier hat er es aufgeschrieben zu ihrer Hochzeit...“
Beim Pflanz im größten Saal war die Mittagstafel für die Gäste gedeckt. In der Küche hoben zwei Mägde den riesigen Kessel mit über dreihundert Leberknödeln vom Feuer. Für die Damen gab es, bevor man zu Tisch ging, ein Gläschen Portwein oder Maphrodaphne, für die Herren Kognak oder Kirschwasser. Dann nahm man an der riesigen Hufeisentafel Platz. Oben, in hochlehnigen blumenbekränzten Sesseln das junge Paar, rechts und links davon die Brauteltern, und dann, nach dem Grade der Verwandtschaft oder der gesellschaftlichen Stellung die übrigen Hochzeitsgäste. Auf den Ehrensesseln am Außenbogen des Hufeisens Landrat Klingsporn, Amtsgerichtsrat Plinganser, Bürgermeister Hilz und Direktor Schimmelpfeng von der Schloßbrauerei Steingassing, von der der Pflanz sein gutes Bier bezog. Dem jungen Paar gegenüber aber saß Stadtpfarrer Klett; und dieses Ereignis, daß die Kirche dem Pflanz seine lästerliche Tat nach fünf Jahren zu vergeben schien, war so bedeutsam, daß die Kunde davon die Stadt wie ein Lauffeuer durcheilte und zu manchen boshaften Bemerkungen Anlaß gab. Nun, Hochwürden hatte lange mit sich gekämpft, ob er der Einladung ins Haus Folge leisten sollte. Der geistliche Herr wußte genau, daß es in Aldenberg Kreise gab, die ihm dieses Nachgeben verübelten und vielleicht sogar wisperten, daß die Kirche anders als der Erlöser über jene dächte, von denen er gesagt hatte: Eher ging ein Kamel durch ein Nadelöhr als daß ein Reicher in das Himmelreich komme. — Aber der geistliche Herr hatte sowohl die junge Frau als auch ihren Gatten getauft, zur Kommunion geführt, gefirmt und nun getraut, — er war es ihnen schuldig, sie nicht zu enttäuschen.
Und um jedem Gerede vorzubeugen, daß er etwa wegen der Rehrücken, Schleien, Mastochsenlenden und Kalbsnierenbraten schwach geworden sei, erhob er sich — sonst wahrlich kein Feind der guten Dinge, die der Herr bescherte — schon vor der Suppe, um ein paar Worte zu sprechen. — Es sei ein schwergeprüftes Haus, sagte er sehr ernst, das eine junge Frau nun verlassen werde, um ihrer weiblichen Bestimmung zu folgen. Aus den Augen der beiden jungen Menschen könne jedermann lesen, daß sie glaubten, das Glück gefunden zu haben. Das Glück aber sei weder an jenen flüchtigen Rausch der Sinne geknüpft, den die Menschen so oft mit der Liebe verwechseln; es sei auch nicht an Geld und Gut gebunden, — aber dort sei es daheim, wo — und hier knüpfte Hochwürden an das Apostelwort seiner Rede am Altar an — zwei Herzen treu, bis der Tod sie scheide, in guten und schweren Tagen zueinanderhielten und ihre Pflichten gegen Gott und gegen den Nächsten in Liebe und Frömmigkeit erfüllten. — Er sprach nur ein paar Minuten, die Suppe wurde derweil nicht kalt, dann erhob er sein Glas gegen das junge Paar, trank ihnen zu und verabschiedete sich freundlich von allen Anwesenden. Allzu fröhlich waren seine Worte nicht gewesen. Aber schon bei den Schleien war die kleine Bedrückung, die er mit seinen Worten und mit seinem eiligen Abschied hinterlassen hatte, verschwunden. Es wurde tüchtig gegessen und tüchtig getrunken, der Rehrücken marschierte an — und plötzlich vermißte man die
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