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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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elf...!“ Und er war weg, ehe Lockner dazu kam, einen roten Kopf zu bekommen oder sich dumm zu stellen. Er sah sich um, niemand beachtete ihn, und er war mit ein paar raschen Schritten aus dem Saal heraus und an der Treppe, die zum Hotel hinauf führte. Keine Sekunde zu spät, denn in einem weiten Mantel, den sie über die Schultern geworfen hatte, kam Jo Klapfenberg die Treppe hinab ihm entgegen. Er nahm drei und vier Stufen auf einmal und stellte sich ihr auf der halben Treppe in den Weg.
    „Das dürfen Sie mir nicht antun!“ sagte er ein wenig atemlos;
    „den ganzen Tag über habe ich mich auf einen Tanz mit Ihnen gefreut...“
    „Weshalb sind Sie nicht früher gekommen?“
    „Ich hatte zu arbeiten.“
    „Ja, — aber...“
    „Kein aber! Und außerdem haben Sie es mir versprochen!“
    „Ich Ihnen versprochen? Wann?“
    „In der Kirche. Ich fragte Sie: tanzen wir heute einen Tango und einen Langsamen Walzer miteinander? Und Sie sagten klar und deutlich Ja. Und ich habe doch nur eine Stunde lang Zeit, — dann muß ich nämlich wieder in die Mühle.“
    „Sie haben so etwas Stürmisches an sich...“, murmelte sie und sah sich um, — aber sie standen allein auf der Treppe.
    „Ein richtiger Brausewind!“ sagte er und grinste; „aber jetzt geben Sie mir Ihren Mantel, ich trage ihn an die Garderobe zurück!“
    „Ausgerechnet jetzt kommen Sie an, wo es mir glücklich gelungen ist, der betrunkenen Bande da unten endlich heimlich auszurücken. Und außerdem ist die Luft im Saal so dick, daß man sie mit dem Messer schneiden könnte. — Nein, bitte, Herr Lockner, lassen Sie mich gehen. Ich ersticke, wenn ich nicht an die frische Luft komme.“
    „Zwingen kann ich Sie leider nicht“, sagte er mit einem tiefen Seufzer, als wäre er von jedem Glück auf dieser Welt ausgestoßen; „nun gut, dann bringe ich Sie wenigstens heim...“
    „Das ist quer über die Straße...“
    „Wenn Sie so lufthungrig sind, wie Sie sagen, dann täte Ihnen ein kleiner Umweg sicherlich gut.“
    Sie stand eine Stufe über ihm, aber der Blick, den sie ihm zuwarf, schien aus eisigen Höhen der Stratosphäre zu kommen.
    „Sie werden sich dabei einen Schnupfen holen, Herr Brausewind —“, sagte sie und klopfte mit der dünnen Sohle ihres sehr hochhackigen Brokatschuhes den roten Velours, mit dem die Treppe ausgelegt war; „und ich kriege nasse Füße. Und überhaupt ist es lächerlich. Sie im Smoking und ich im Abendkleid... Aber gegen eine halbe Stunde frische Luft hätte ich nichts einzuwenden.“
    „Hören Sie“, rief er eifrig, „Sie haben drei Schritt bis nach Hause und ich habe zehn bis zur Redaktion. Wir ziehen uns um und treffen uns irgendwo. Sind Sie damit einverstanden?“
    Sie zögerte sekundenlang...
    „Wo treffen wir uns?“ fragte sie schließlich und zog den Mantel fester um ihre Schultern.
    „In einer Viertelstunde an der Brücke...“
    „Gut — aber laufen Sie nicht sofort hinter mir aus dem Hause!“
    „Ich habe mich inzwischen in Aldenberg eingelebt!“ sagte er bedeutungsvoll und gab ihr den Weg frei. Ein paar Minuten ließ er verstreichen, dann rannte er zur Redaktion zurück. Die schwarze
    Schleife löste er schon auf der Treppe vom Hals. Der junge Kerschbaumer war nicht wenig erstaunt, ihn so bald wiederzusehen. Aber er ließ ihm keine Zeit zu unangenehmen Fragen.
    „Los, Wastl, runter mit meinen Klamotten! Und da haben Sie das schwarze Möbelstück. Wenn Sie sich beeilen, dann kommen Sie zu den Weißwürsten noch zurecht. Ihren blonden Traum sah ich übrigens heftig mit einem andern Kavalier flirten...“
    Es war gelogen, aber es veranlaßte den jungen Mann, wie ein Boxer in die Ärmel der Jacke zu fahren und augenblicklich zu verschwinden. Ein wenig später folgte Lothar Lockner ihm nach, aber er bog vor dem ,Lamm’ rechts ab und schlenderte zur Brücke hinunter. Die Straße war schlecht beleuchtet und menschenleer. Über der Brücke brannten zwei helle Lampen mit bläulich schimmerndem Licht. Lockner schlug den Mantelkragen hoch und drückte sich in den Schatten der Weiden, die dem Flußufer folgten und den schmalen Dammpfad wie ein dunkler Vorhang von. der Ache trennten. Es wehte ein kühler Wind. Er zündete sich eine Zigarette an und spürte, wie ihm das Herz laut gegen die Rippen hämmerte. Oder hatte Jo Klapfenberg ihre Einwilligung, sich mit ihm zu treffen, nur darum so rasch gegeben, um ihn loszuwerden?
    Nein, sie kam. Er erkannte sie trotz der spärlichen Beleuchtung schon von weitem,

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