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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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und er erkannte sie, obwohl sie die Kapuze ihres hellen Sportmantels über den Kopf gezogen hatte. Er sog heftig an seiner Zigarette und gab ihr mit der Glut ein Funkenzeichen. Sie drehte den Kopf zur Seite, um dem hellen Licht der Brückenlampen zu entgehen und kam rasch auf ihn zu. Er ließ die Zigarette fallen und zertrat die Glut.
    „Was für eine Verrücktheit von mir…“, sagte sie zur Begrüßung in die Dunkelheit hinein, denn sie sah von ihm nicht mehr als den Schimmer seines Gesichts.
    „Weshalb? Frische Luft ist doch keine Verrücktheit..
    „Es ist halb elf und es ist stockfinster! Wenn uns jemand sieht, ist der Tratsch fällig. — Wohin jetzt?“
    „Den Damm entlang...“
    „Lassen Sie mich einhängen, ich möchte mir nicht die Beine brechen... Diese Dunkelheit...!“
    „Ich weiß nicht, was Sie gegen die Dunkelheit haben“, murmelte er, „ich finde sie wunderbar.“ — Er nahm ihre Hand und zog sie durch seinen Arm: „Kommen Sie, und halten Sie sich dicht an mich, der Weg ist ziemlich schmal...“
    „Sie scheinen sich in Aldenberg schon recht gut auszukennen.“
    „Natürlich, das sind hier meine Entlüftungswege. Man muß sich ab und zu auslaufen, wenn man den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt...“
    „Haben Sie noch keinen passenden Anschluß gefunden?“
    „Wie meinen Sie das?“
    Sie gab ihm keine Antwort. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Der Weg war tatsächlich so schmal, daß er sie zwang, in enger Fühlung zu bleiben. Manchmal stapften sie durch Pfützen, die der Regen zurückgelassen hatte. Er führte sie sicher und preßte ihren Arm zart gegen seine Brust. Sie atmete tief, ein wenig übertrieben geräuschvoll, als spüre sie noch immer den Staub und Tabakdunst des Saales in ihren Lungen.
    „Nein, ich habe kein Mädchen gefunden!“ sagte er schließlich, „das heißt, ich habe keines gefunden, das mich interessiert. Außer Ihnen!“
    „Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich verlobt bin!“
    „Nein, Sie sagten, Sie seien so gut wie verlobt...“
    „Das ist kein großer Unterschied, nicht wahr?“
    „Gewiß nicht, — aber das ist ja auch gleichgültig. Ich habe eine Menge verheirateter Frauen kennengelernt, die deshalb doch sehr anziehend blieben. Aber ich habe nie die Absicht gehabt, mich in ihre Ehen hineinzudrängen. Ich habe es nur bedauert, daß sie statt mit mir mit anderen Männern verheiratet waren. — Und so geht es mir auch mit Ihnen. Ich finde Sie bezaubernd — das ist alles. Vielleicht bin ich sogar in Sie verliebt. Aber das ist ja völlig belanglos und für Sie gänzlich ungefährlich, solange das einseitig ist…“
    „...und solange Sie die Dunkelheit nicht ausnutzen!“
    „Auch das liegt nicht in meiner Art“, sagte er ein wenig verstimmt.
    „Dann sind Sie ein weißer Rabe…“ Sie drückte leicht seinen Arm: „Eingeschnappt?“
    „Fräulein Klapfenberg“, sagte er, „ich bin seit sieben Jahren Journalist. Jedes Jahr hat eine neue Hornhaut um die Seele angesetzt. Ich bin unverwundbar wie Siegfried nach dem Bad im Drachenblut.“
    „Die Hornhaut glaube ich Ihnen nicht recht...“
    „Was soll ich Ihnen darauf antworten?“
    „Nichts. — Übrigens tun mir die Füße weh. Ich hatte neue Schuhe an, und ich fürchte, sie waren eine halbe Nummer zu klein.“
    „Darf ich Sie tragen?“
    „Hier steht doch irgendwo eine Bank..
    „Sie wird naß sein...“
    „Ich hoffe, daß Sie ein Taschentuch bei sich haben. Oder wir könnten uns ja auch auf Ihren Mantel setzen.“
    „So dicht zusammen?“ fragte er; „fürchten Sie nicht, daß der weiße Rabe sich dann vielleicht doch als ein ganz gewöhnlicher schwarzer Vogel entpuppen könnte?“
    Sie gab ihm keine Antwort, sie schritt ein wenig rascher aus und versuchte, die Bank in der Dunkelheit zu entdecken. Er sah sie früher als sie, aber er ließ sie suchen und ließ sich von ihr führen und spürte eine sonderbare Beengung in der Kehle.
    „Da ist die Bank ja!“ flüsterte sie und fuhr mit der Fingerspitze über die Sprossen, „und sogar ziemlich trocken...“
    „Trotzdem...“, sagte er ein wenig heiser und knöpfelte seinen Mantel auf. Er schlüpfte aus dem rechten Ärmel, breitete den Mantel über ihre Schulter und legte den Arm um ihre Hüfte. Die Kapuze war von ihrem Haar geglitten. Sie kuschelte sich in seine Achsel und hob das Gesicht zu ihm empor.
    „Sie machen es mir wirklich nicht leicht, meinen Grundsätzen treu zu bleiben“, murmelte er.
    Ihre Augen, in der Dunkelheit

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