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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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dieses undankbare Geschöpf die Rolle vertauscht und war vor ihm aufgestanden, als ob sie die Klägerin und er der Angeklagte sei. Selbstgerecht hatte sie ihn genannt, selbstgerecht! Als ob er jemals mehr als ein demütiger Arbeiter im Weinberg gewesen war! Und sie hatte ihm wahrhaftig vorgeworfen, daß er mit dem Pfund, das ihm anvertraut worden war, gewuchert hatte! Was hätte er sonst damit tun sollen?!
    Er spürte einen Schatten und das Gewicht einer Hand auf seiner Schulter.
    „Da hast du es, das Produkt deiner schwachen Erziehung!“ knurrte er, ohne sich umzudrehen und ohne die Hände von den Ohren zu lösen. „Ein lediges Kind! Das muß unserer Tochter passieren!“ Er blies vor sich hin, als hätte er vier Treppen im Laufschritt genommen. — „Und du als Mutter und Frau hast nichts geahnt!“
    Frau Rosa Klapfenberg wischte sich die Augen und ließ die Hände schlaff auf die molligen Hüften fallen: „Geahnt... ich habe schon geahnt, daß da etwas nicht stimmt“, murmelte sie, „aber ich habe es nicht glauben können...“
    „Und wie soll das nun weitergehen?“ fragte er dumpf.
    Frau Klapfenberg atmete freier auf, als begänne die erste Eisen-klammer um ihre Brust sich langsam zu lösen. Weiß Gott, was sie befürchtet hatte, bei seinem cholerischen Temperament war sie jedenfalls nicht darauf gefaßt gewesen, daß er den Schlag mit solcher Fassung einstecken würde. Aber seine unheimliche Ruhe, die sie ahnen ließ, wie es innerlich um ihn stand, machte es fast noch schlimmer. Er ließ die Schultern hängen, als sei ihm das Rückgrat gebrochen.
    „Ach, Sepp“, sagte sie mit einem kleinen Schluchzen, „was bleibt uns schon anderes übrig? Wir werden das Kind fortschicken müssen, wenn es soweit ist...“
    Er ballte die Fäuste und gab einen knurrenden Laut von sich: „Und du bildest dir ein. daß kein Mensch etwas merken wird?!“
    „Ich hoffe es halt...“
    „Aber hier! hier! hier!“, er schlug sich dröhnend auf die Brust, „da sitzt es und bohrt es! Und wenn irgendwo zwei auf der Straße zusammenstehen werden, dann werde ich denken, sie reden über uns! Und wenn beim Pflanz am Nebentisch jemand lacht, dann werde ich denken, er lacht über mich! Und wenn mir jemand nachschaut, dann werde ich denken, der weiß Bescheid! Und wenn mich jemand zu grüßen vergißt...“
    „Pst! Sei still“, zischte sie ihm zu und erstarrte. Im gleichen Augenblick hörte auch er das Auftappen der Gummizwinge am Stock seiner Mutter und ihre harten kurzen Schritte, die sich dem Kontor näherten. Wie ein Schulbub, der bei einer verbotenen Lektüre erwischt wird, griff er hastig nach einer Preisliste und nach einem Bleistift und hob, als die alte Frau die Tür öffnete und in das Büro eintrat, den Kopf, als würde er mitten aus der Arbeit gerissen. Frau Rosa Klapfenberg aber tat, als hätte sie etwas, was sie im Kontor gesucht hatte, soeben gefunden und wollte an ihrer Schwiegermutter vorüberschlüpfend das Kontor verlassen. Die Alte setzte den schwarzen Stock mit der rechtwinklig angebrachten Krücke hart vor ihren Füßen auf den Boden. Es war ein kurzer Befehl und er lautete: hierbleiben!
    Joseph Klapfenberg schaute auf: „Nun, Mama, was gibt es? Was führt dich her?“
    Die alte Frau, die mit ihrem dünnen, straff zurückgekämmten weißen Scheitel und den gelben Greisenringen um die farblosen Pupillen einem bösen alten Habicht ähnelte, setzte den Stock zum zweitenmal hart auf den Boden.
    „Schluß mit dem Affentheater!“ zischte sie gereizt, „wann kriegt das Mädel das Kind?“
    „Aber Mama...!“ stotterte Frau Klapfenberg, und der Sohn starrte seine Mutter an wie ein Gespenst.
    „Einen Stuhl!“ befahl die Alte, und während Herr Klapfenberg aufsprang und ihr seinen Sessel an die Kniekehlen schob, auf dem sie mit durchgedrücktem Rücken Platz nahm, fuhr sie grimmig fort: „Ihr scheint mich wohl alle miteinander für vertrottelt zu halten, wie?!“ Sie stieß den Stock zum drittenmal auf: „Steht nicht herum! Setzt euch!“
    Frau Klapfenberg ließ sich ächzend in den zweiten Kontorstuhl fallen, während ihr Mann in Ermangelung einer dritten Sitzgelegenheit sich mit einem Schenkel auf der Schreibtischkante niederließ und auf diese Weise dem Wunsch der alten Dame wenigstens symbolisch nachkam.
    „Ich bin nicht blöd und bin nicht blind“, sagte die Alte scharf, aber befriedigt darüber, daß ihr so prompt pariert wurde, „also los, antwortet mir, wann bekommt Johanna das Kind?“
    Frau

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