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Es bleibt natürlich unter uns

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Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Klapfenbergs Zeige und Mittelfinger wanderten wie zwei kleine Beine rechnend über die gestreckten Finger der linken Hand.
    „Ich meine — Anfang Januar...“, sagte sie verstört.
    „Etwa von diesem jungen Burschen, mit dem sie sich abends in den Achenauen herumtreibt?“ fragte die alte Dame.
    „Mit was für einem jungen Burschen?!“ fuhr Herr Klapfenberg hoch.
    „Mit dem Zeitungsmenschen...!“ knurrte die Alte.
    „Ich habe keine Ahnung davon...“, er warf seiner Frau einen vorwurfsvollen und gleichzeitig hilfesuchenden Blick zu: „Weißt du etwas davon, Rosa?“
    Frau Klapfenberg drehte die Handfläche von ihrem üppigen Busen nach außen.
    „Hier hat kein Mensch von irgend etwas eine Ahnung!“ stellte die alte Frau fest und drückte ihr Gebiß mit der Zunge gegen den Gaumen. „Dann ist es also dieser Kerl aus München...“
    Das Schweigen, das sie zur Antwort bekam, nahm sie als Bejahung. — „Und weshalb heiraten die beiden nicht? — Antwortet!“
    Herr Joseph Klapfenberg zog eine Schulter hoch und starrte auf seinen hin und her pendelnden Fuß: „Er war vor etwa einem halben Jahr bei mir, um hier um Johannas Hand anzuhalten. Sie hatte mir gesagt, daß er kommen würde. Und weil ich ihn nur flüchtig kannte, habe ich eine Auskunft über ihn eingeholt. — Nun — er hat wegen einer üblen Wechselgeschichte sieben Monate im Gefängnis gesessen...“
    „Und du warfst ihn hinaus, nicht wahr?“
    Er nickte sparsam: „Ja, Mama...“
    Die Alte faltete die dünnen, knotigen Finger über dem Stockgriff: „Dein Vater hat drei Monate gesessen...“, sagte sie wie beiläufig.
    „Aber Mama...“, rief er peinlich berührt und fuhr sich an den Hals.
    Sie hob die rechte Hand mit einer Bewegung, als scheuche sie ein Huhn auf: „Ich ging damals mit dir schwanger, als sie ihn einsperrten. Er hatte immer aus zehn Zündholzschachteln ein volles Dutzend gemacht, und sie waren so leer und klapperten so erbärmlich, daß ich ihn oft genug gewarnt habe. Hätte er wenigstens ein Stück Papier auf den Boden gelegt... Aber dazu war er zu faul und zu bequem. Später hat er es dann gemacht, als er die drei Monate abgebrummt hatte. — Und dann hätten die Gendarmen ihn fast noch einmal beim Wickel gekriegt, als er den blinden Mann zu spielen begann. Du hast ihn ja selber an der Hand geführt. Oder besinnst du dich nicht mehr darauf?“
    Frau Rosa Klapfenberg starrte ihren Mann an, als sähe sie ihn zum erstenmal. Er hatte einen dicken roten Kopf bekommen und trocknete sich mit dem Taschentuch Stirn und Hals.
    „Ich weiß nicht, weshalb du diese alten Geschichten erzählst, Mama...“, stammelte er tödlich verlegen, denn bis dahin hatte er sie als ein strenges Geheimnis gehütet.
    „Um dich daran zu erinnern“, sagte sie kühl und blinzelte ihren Sohn an. Es sah aus, als lege sich eine pergamentene Nickhaut über ihre hellen Vogelaugen. — „Also der Kerl hat Wechselschweinereien gemacht... Und weiter?“
    „Langt dir das noch nicht?“ fragte er mit mühsam beherrschtem Zorn. „Aber ich habe von dem Burschen noch zwei oder drei Briefe liegen, in denen er sich mir auch weiterhin als Schwiegersohn empfiehlt, wenn ich ihm fünfzig Mille zum Aufbau einer selbständigen Existenz in den Rachen schmeiße!“
    „Fünfzig Mille...“, kicherte die alte Dame, „der Idiot ist schlecht informiert. Du müßtest Hanna mindestens achtzig mitgeben...“
    „Woher?!“ schrie er wild, „soll ich mir Riemen aus der Haut schneiden?“
    „Was fällt dir ein, mich so anzuschreien? Ich bin nicht taub!“ Sie preßte für einen Moment die Zähne zusammen, weil sich die Gaumenplatte bei dem scharfen Zischlaut wieder gelockert hatte.
    — „Hast du dir eingebildet, du wirst sie nackt los? — Sei nicht albern, Joseph! — Als dein Vater mich heiratete, da tat er es nicht wegen meiner schönen Augen, sondern weil ich mir als Zimmermädl beim Pfaubräu in Reichenhall hundertvierzig Taler erspart hatte. Mit diesem Kapital begann er seinen Hausierhandel.“
    Zum erstenmal mischte sich Frau Rosa Klapfenberg in das Gespräch ein: „Gewiß, Mama“, sagte sie, von einem kleinen Schlucken gestoßen, „das ist ja alles richtig, was du sagst, — aber was nützt das ganze Reden...? Johanna will den Mann unter gar keinen Umständen heiraten!“
    „Stell dir das vor, Mutter!“ bestätigte Herr Klapfenberg dumpf, „sie will das Kind ledig zur Welt bringen!“
    „Himmelherrgottsakrament!“ stieß die alte Frau wütend hervor, „habe

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