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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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weißt du ganz genau, Großmama!“ sagte sie leise, aber sehr deutlich, „aber ich lasse mich nicht verkaufen, hörst du? Und ich glaube auch, so viel Geld habt ihr alle miteinander nicht, daß Lothar Lockner sich von euch kaufen läßt. — Haben wir uns richtig verstanden?“
    Die alte Frau erhob sich etwas steif aus dem Sessel und griff nach ihrem Ebenholzstock. — „Wie so ein Mistfratz mit einem redet...!“ brummelte sie; aber es klang nicht beleidigt, eher schwang etwas wie Stolz in ihrer Stimme mit, daß sie in ihrem Enkelkind einen Teil jener Härte und ungebrochenen Lebenskraft wiederfand, durch die sie sich selber über die Familie erhob.
    „Steh einmal auf!“ befahl sie schroff.
    Jo erhob sich gehorsam. Die alte Dame knipste die Deckenbeleuchtung an, sechs Flammen, die das Zimmer mit einer Lichtflut überschütteten. Sie musterte Jo aus leicht zusammengekniffenen Augen eine halbe Minute lang wie ein Mannequin, das ihr eine neue Kleiderkollektion vorführte.
    „Zwei Monate lang wird es noch ganz gut gehen“, sagte sie schließlich. Sie winkte Jo heran, drückte ihr einen leichten, kühlen Kuß auf die Stirn und murmelte: „Den gelben Fleck am Kinn mußt du gut überpudern, daran hab ich nämlich schon vor einem Monat erkannt, was mit dir los ist.“ —

Lothar Lockrer entwarf in der Redaktion den Werbetext, mit dem die ,Bayerische Hauspostille’ in der Samstagausgabe des ,Aldenberger Anzeigers’ gestartet werden sollte. Zehntausend Probenummern, die gleichzeitig mit der Ankündigung im Verbreitungsgebiet der Zeitung und auch weiter von Aldenberg entfernt verteilt werden sollten, lagen in großen Stapeln in den Kellern des Verlagsgebäudes bereit. In ihm glühte ein Gefühl wie etwa ein Premierenfieber. Es gab Stunden, in denen er vom Erfolg des Unternehmens so felsenfest überzeugt war, daß er schon holde Träume von einem kleinen Wagen, einer eigenen Wohnung und überhaupt von künftigem Wohlstand in jeder Form spann. Es konnte jedoch geschehen, daß ihn bereits in der nächsten Minute eine tiefe Mutlosigkeit überfiel, daß er Herrn Lobmüller im Geiste tobend und auf den unseligen Einfall fluchend durch die Redaktionsräume rasen sah, das Kündigungsschreiben in der Hand schwenkend und ihn zu allen Teufeln wünschend.
    Die Probenummer, mit aller Sorgfalt zusammengestellt, die ihm stundenlang den sicheren Erfolg versprochen hatte, erschien ihm dann fad und abgestanden wie Selterswasser in einer Hasche ohne Verschluß. Gerade in diesem Augenblick befand er sich in solch einer mutlosen Stimmung, und sie war nicht dazu angetan, seinem Hirn für den Werbetext Flügel zu verleihen. Er floß ihm träge und zäh in die Maschine und schien ihm aus Floskeln ohne Saft und Kraft zu bestehen. So empfand er es — sonst gegen Störungen empfindlich — fast dankbar, als Fräulein Klühspieß ihr frisch onduliertes Haupt ins Zimmer steckte und ihm einen Besuch anmeldete.
    „Herr Schmölz...“, flüsterte sie und deutete, um ihn an den kleinen Mann zu erinnern, dessen Größe durch eine Bewegung mit der flachen Hand an, die aber das richtige Maß von Herrn Schmölz auf die Größe eines Gartenzwergs verfälschte.
    „Herein mit ihm!“ rief er erheitert.
    Fräulein Klühspieß gab die Tür frei und ließ Herrn Schmölz in das Redaktionsbüro eintreten. Lothar Lockner winkte den bescheiden hereinwatschelnden kleinen Mann zu sich heran und lud ihn mit einer Geste in den Besuchersessel.
    „Nun, Herr Schmölz, was gibt es und was bringen Sie?“
    Wie bei seinem ersten Besuch fuhr Herr Schmölz erst mit dem Ärmel über das Sesselleder, ehe er vom auf der Kante Platz nahm, den grauen Filzhut in den rauhen Händen drehend. Er nickte Lothar Lockner zu, während eine flockige Röte in seine grauen Hutzelwangen stieg.
    „Es waren zwei Briefe angekommen, Herr Redakteur...“, sagte
    er mit einem kleinen Verlegenheitskichern und starrte in seinen Hut, in dessen dunklem Schweißleder zwei Briefumschläge steckten, ein grüner und ein weißer.
    „Na, sehen Sie!“ rief Lothar Lockner befriedigt, „das nennt man
    Werbekraft! Und da gibt es Leute, die die Pfennige im Sack halten, anstatt sie hecken zu lassen. Inserieren — das ist die Parole des Erfolges! Zwei Zuschriften haben Sie bekommen? Darf man mal sehen?“
    „Z’wegen dem bin i ja z’Eahne — ich meine, zu Ihnen gekommen, Herr Redakteur“, sagte Herr Schmölz eifrig und beeilte sich, Lothar Lockner die beiden Briefe hinüberzureichen.
    „Nun“,

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