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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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verschwunden... daß ich nicht lach’! Aber rufen Sie mich an, wenn Sie erfahren, daß er aus Salzburg oder München zurückgekommen ist...“
    Lothar Lockner hängte ein. Er zögerte einen Augenblick. Und wählte schließlich die Nummer des Kaufhauses Klapfenberg: „Verbinden Sie mich mit der Seniorchefin, Fräulein! Mein Name ist Lothar Lockner. Und sagen Sie der alten Dame, es wäre eine dringende persönliche Angelegenheit! Verlassen Sie sich darauf, sie ist für mich zu sprechen!“ Sein entschiedener Ton schien auf das Mädchen, das ihn zuerst abwimmeln wollte, Eindruck gemacht zu haben; es knackte ein paarmal in der Leitung, das Gespräch wurde umgeschaltet, und nach kurzer Zeit meldete sich die alte Dame. Ihre Stimme klang ruhig und herrisch wie immer.
    „Ich möchte nicht am Telefon mit Ihnen sprechen. Kommen Sie zu mir herüber, junger Mann, — ja, sofort, ich erwarte Sie. Meine Wohnung liegt im ersten Stockwerk des Hauses.“
    Er schlüpfte in den feuchten Mantel, hinterlegte einen Zettel für Fräulein Klühspieß, daß er in kurzer Zeit wieder in der Redaktion sein werde, und saß zehn Minuten später Johannas Großmutter in einem Salon gegenüber, der in der Mode der achtziger Jahre eingerichtet war, gedrechseltes Mahagoni und viel roter Plüsch. Sie thronte wie immer aufrecht und ohne die Rückenlehne des steifen Sessels zu benutzen vor ihm und sah nicht anders aus als sonst, nur ihr Kopf wackelte hin und her, als könne sie manche Dinge auf dieser Welt nicht mehr ganz begreifen.
    „Sie haben noch immer keine Nachricht?“ fragte er leise.
    „Nein...“, antwortete sie und schüttelte den Kopf stärker.
    „Und Sie haben auch keine Erklärung, die einen Anhaltspunkt für das Verschwinden Ihres Sohnes geben könnte?“
    Sie sah ihn aus blassen Greisenaugen, deren gelbliches Weiß ein wenig entzündet und übernächtigt wirkte, mißtrauisch an: „Kommen Sie als Zeitungsmensch her oder...?“
    „Ich werde über diesen Fall berichten müssen, wenn er nicht bald eine Aufklärung findet, aber ich werde nichts veröffentlichen, was Sie nicht billigen. Ist das in Ordnung?“
    Sie nickte: „Ja — und nun will ich Ihnen auch etwas erzählen. Mein Sohn bekam von diesem Kerl — ich meine Herrn van Dorn — vor einigen Tagen einen Brief, in dem dieser Mensch meinen Sohn dringend um eine Unterredung bat…“
    „Das war es also!“ stieß Lothar Lockner hervor.
    „Was haben Sie?“ fragte die alte Frau.
    „Ich sah Herrn van Dorn gestern abend im ,Lamm’. Ich kannte ihn nicht, deshalb habe ich ihn nur flüchtig wahrgenommen. Später kam der Pflanz an meinen Tisch und sagte mir, wer dieser Gast sei. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte den Mund gehalten...“
    „Nun ja“, fuhr die alte Dame fort, „mein Sohn Joseph zögerte lange, bevor er den Brief beantwortete und schließlich schrieb, er sei zu einer Unterredung bereit. Ich hätte mich nicht darauf eingelassen. Weiß Gott, was er sich davon versprach... Gestern abend läutete van Dorn an, daß er im ,Lamm’ abgestiegen sei. Und um halb neun ging mein Sohn zu ihm hinüber.“
    Lothar Lockner hatte das Gefühl, einen Hieb über den Schädel zu bekommen. Sekundenlang starrte er die alte Dame wortlos an.
    „Haben Sie das der Polizei gemeldet?“ fragte er schließlich heiser. Durch seinen Kopf gingen furchtbare Vorstellungen.
    „Lassen Sie mich zu Ende erzählen“, sagte sie. „Wir hatten geglaubt, er würde in einer viertel oder halben Stunde zurück sein. Als er dann nicht kam, meinten wir zunächst, obwohl es nicht sehr wahrscheinlich war, er hätte sich beim Pflanz oder irgendwo anders noch zu einem Bier hingesetzt. Aber als es dann elf wurde, schickte meine Schwiegertochter ihren Sohn Ernst zum Pflanz hinüber. Im ,Lamm’ war er nicht. Mein Enkelsohn lief dann noch durch ein paar Wirtschaften, in denen sein Vater zu verkehren pflegt, aber er fand ihn weder in der ,Post’ noch beim ,Sailerbräu’. Und so ging er schließlich zum ,Lamm’ zurück und klopfte an dem Zimmer an, das van Dorn bezogen hatte. Er war noch wach und völlig angezogen. Und er sagte meinem Enkel, mein Sohn habe ihn nach einer höchstens viertelstündigen Unterredung etwa um Viertel vor neun mit dem Versprechen verlassen, er würde Johanna telefonisch anrufen und ihm über das Ergebnis dieses Gesprächs noch im Laufe der Nacht Bescheid geben. — Mein Enkel Ernst sagte uns, er habe den Eindruck gehabt, daß van Dorn sehr bestürzt gewesen sei, als er hörte, daß

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