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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klinge weg und setzte sofort nach.
    Vielleicht zwanzig Schläge lang ging es hin und her, bis nach einer herrlichen Quintenparade durch Boris der jetzt schwitzende Kramskoj zur Seite wich und sich mit einem dumpfen Laut, wild um sich schlagend, auf Soerenberg stürzte.
    Sofort zuckte Jussupows Säbel dazwischen, aber mit einem gewaltigen Schlag hieb ihn Kramskoj zur Seite. Jussupow, darauf nicht vorbereitet, verlor den Säbel … Er rutschte über die Bühne und klirrte in eine Seitenkulisse.
    »Halt!« schrie Jussupow. »Valentin! Halt!«
    Kramskoj hörte nichts mehr. Mit blutunterlaufenen Augen drang er auf Boris ein. Aus dem klassischen Fechten war ein Hauen und Stechen geworden, wie man im Krieg einen Gegner zu vernichten trachtet.
    Boris Soerenberg blieb ruhig und besonnen. Er ging zurück, er fing die Schläge auf, fegte die Stichparaden zur Seite, beschränkte sich nur auf die Abwehr und schlug selbst nicht zu.
    Mit weit offenem Mund keuchte Kramskoj, schlug wie ein Irrer zu, faßte sogar den schweren Säbel mit beiden Händen und hieb um sich. Jussupow rief von neuem dazwischen, aber er war machtlos gegen diesen wahnsinnigen Ausbruch von Vernichtungsfieber. In Strömen rann der Schweiß über Kramskojs Körper, er schüttelte ihn aus dem Gesicht wie ein Hund das Wasser aus seinem Fell und drang weiter auf Boris ein.
    Soerenberg war zurückgewichen. Er stand unter der gemalten Statue der Pallas Athene vor der Bühnenrückwand und sah Kramskoj anstürmen – blindwütend, mit verschleierten Augen, seinen ganzen Körper in den neuen Schlag legend. Er warf sich mit der Klinge fast selbst in dem Triumph vor, daß der Gegner jetzt nicht mehr ausweichen konnte. Es sollte ein Hieb werden, der jede Deckung wegfegen mußte.
    Boris Davidowitsch wartete mit starrem Gesicht. Er war ganz ruhig, selbst in diesem gefährlichen Augenblick, in dem sogar Burjew die Hände faltete und Dr. Mrozek nervös an seinem Kneifer nestelte. Der Tod hat viele Fratzen – jetzt zeigte sich eine in Kramskojs Gesicht.
    In der Sekunde, in der die blitzende Klinge herunterzischte, machte Boris einen halben Schritt zur Seite. Kramskojs Säbel zerschlitzte die Kulisse, zerfetzte das Leinen mit der aufgemalten Göttin und durchhieb zwei Holzsprossen.
    Wie ein angeschossener Bär brüllte Kramskoj tief auf und spuckte gegen die Kulisse, dann sah er noch, wie Boris Davidowitsch mit einer geradezu eleganten Bewegung seinen Säbel schwang und in die Lücke fallen ließ, die sich ihm bot: die ungeschützte linke Schulter Kramskojs.
    Es war, als gäbe es keinen Widerstand.
    Die scharfe Klinge schnitt tief ein, man konnte deutlich hören, wie sie auf das Schulterblatt prallte, dann klaffte die Wunde auseinander, eine Kaskade von Blut sprang hervor und überschüttete den Fürsten.
    Kramskoj stand vor Boris und sah ihn ungläubig an. Er wollte einen Schritt gehen und sah noch, wie Graf Palladini und Burjew gemeinsam Boris von ihm wegrissen.
    Dann hörte man Jussupow schreien: »Mein Gott, schnell, Mrozek, schnell!« Und nun wurde es Kramskoj wohlig matt und schwerelos. Eine große Seligkeit ergriff ihn, er fiel um, rollte in den Blutsee, spürte sein Fallen schon nicht mehr und streckte sich beinahe glücklich in seinem eigenen Blut aus.
    Dr. Mrozek kniete neben seinem Patienten, setzte die großen Wundklammern und war froh, daß Kramskoj besinnungslos geworden war. So konnte er ungehindert arbeiten und die Gefäße abklemmen, die der Hieb durchtrennt hatte.
    Fürst Jussupow trat auf Boris zu, der an der linken Bühnenseite stand – hinter sich, auf den bemalten Kulissen, die Figur des Herkules, auf eine riesige Keule gestützt. Er hatte noch immer den Säbel umklammert, während ihm Burjew mit einem Handtuch den Oberkörper abrieb.
    Graf Palladini saß auf einem Kulissenteil, einem Steinklotz aus Pappe und Leinwand, fächelte sich mit einem Spitzentuch Luft zu und vermied es, Kramskoj und das Blut anzusehen. Er war gelb im Gesicht. Ihm war speiübel.
    »Sind Sie zufrieden, Boris Davidowitsch?« fragte Jussupow tonlos. »Ist Ihre Ehre gerettet?«
    »Ich habe versucht, ihn auf die schonendste Weise kampflos zu machen.« Boris ließ den Säbel fallen. Er klirrte zu Jussupows Füßen. Der Fürst nickte schwer.
    »Ich habe es gesehen. Sie hätten ihn mit einem Schlag köpfen können. Sein gesenkter Nacken lag vor Ihnen wie auf einem Schafott. Ich danke Ihnen …, auch im Namen von Valentin Wladimirowitsch.«
    »Er wird damit nicht einverstanden

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