Es blieb nur ein rotes Segel
sein.«
»Ich werde ihm beibringen, daß Sie sein Leben geschont haben. Trotz allem … Kramskoj ist ein Ehrenmann!« Jussupow blickte auf den Säbel zu seinen Füßen. Die Klinge war blutverschmiert. »Die Waffe gehört Ihnen, Boris Davidowitsch. Eine Damaszenerarbeit.«
»Sie paßt nicht zu mir, Hoheit. Sie ist zu wertvoll.«
»Immerhin haben Sie Ihr Leben damit verteidigt. Ich glaube nicht, daß Kramskoj daneben geschlagen hätte, wenn Sie ihm den Nacken hingehalten hätten. Nehmen Sie den Säbel als Erinnerungsgeschenk mit sich.« Jussupow atmete ein paarmal tief durch. »Ist Ihnen jetzt ein kleiner Imbiß genehm, Boris Davidowitsch?«
»Ich möchte abwarten, was Dr. Mrozek sagt.«
Sie gingen zu dem noch immer Besinnungslosen. Er lag in dem Blutsee und sah schrecklich aus. Dr. Mrozek hatte die Blutungen zum Stillstand gebracht, aber es war offensichtlich, daß Kramskoj nicht heimlich behandelt werden konnte.
»Ich habe eine gute Krankenstube«, sagte Jussupow, ehe Mrozek seine Diagnose loswerden konnte. »Wir können sie mit allem, was nötig ist, einrichten. Ich lasse die besten Chirurgen kommen, – aber es ist undenkbar, daß der Fürst in eine Klinik kommt. Das Ganze muß ein Unfall bleiben.«
»Die Muskelbänder sind durchgeschlagen.« Dr. Mrozek erhob sich von den Knien, sein Anzug war voller Blut. »Ich befürchte, daß der Fürst seinen linken Arm nicht mehr wird heben können. Vielleicht könnten Experten … Wenn es gelingt, die Bänder zu nähen? Aber da sind noch die Nervenstränge … Es könnten nur Fachleute …« Dr. Mrozek schwieg. Fürst Jussupow verstand ihn gut.
»Ich werde die besten Fachärzte holen, Dr. Mrozek. Wer sind sie?«
»Professor von Bergmann von der Charité in Berlin; Professor Alain Ducroix aus Paris und Sir Henry Baldwin in London …«
»Es gehen sofort Depeschen heraus.« Jussupow sah seinen Freund an. Das Gesicht war fahlweiß und spitz geworden. »Wird er den Blutverlust überstehen?«
»Mit Gottes Hilfe – ja.«
»Dann lasse ich beten!« antwortete Jussupow sarkastisch. »Ich bin gespannt, wie er ihm neues Blut verschafft …«
Eine Stunde später fuhr Boris Davidowitsch zurück in den Anitschkowpalast. Die Kutschen mit den zehn Männern in den weiten Mänteln ratterten in Richtung Große Newa davon. Burjew fuhr mit ihnen und versprach allen ein gutes Mittagessen mit viel Wodka.
Im Palast angekommen, ging Boris zuerst in die Wohnung des Zwerges Mustin. Sie lag im linken Seitenflügel unter dem abgestuften breiten Dach mit Blick auf den Fontankakai. Es waren riesige hohe Räume mit Stuckdecken und bemalten Pfeilern, zwischen denen der Zwerg noch kleiner; noch armseliger wirkte: ein winziges Wesen, das menschlich sprach.
Mustin Fedorowitsch Urasalin lag auf einem Diwan und las in einem Buch von Puschkin. Das bewies seine große Intelligenz, denn er hatte erst vor vier Jahren lesen und schreiben gelernt.
Er sprang auf, als Boris eintrat und den von Jussupow geschenkten Säbel auf den Teppich, mitten ins Zimmer warf.
»Du brauchst ein Versteck, nicht wahr?« rief Mustin sofort. »Flieh nach Aserbeidschan, meine Brüder werden dich verstecken! Es gibt dort Gegenden, die noch nie ein normaler Mensch betreten hat, nur wir, die Hirten. Ich besorge dir ein gutes schnelles Pferd. Oder willst du deinen Dienstschimmel einfach mitnehmen? Das wäre am besten! Ihr seid aneinander gewöhnt …«
»Ich habe in zwei Stunden Begleitdienst beim Großfürsten.« Soerenberg setzte sich an eines der gewölbten Fenster und blickte auf die Fontanka hinunter. »Ich wollte eigentlich bei dir nur eine deiner verflucht guten Havannazigarren rauchen. Merkt eigentlich Großfürst Sergej nie, daß du ihm die Zigarren klaust?«
Mustin hüpfte von einem seiner Spinnenbeinchen auf das andere. Sein dicker Kopf war rot vor Aufregung. »Du hast Kramskoj nicht getötet?«
»Nein.«
»Boris! O Gott, Söhnchen, du bist doch nicht etwa weggelaufen?«
»Kramskoj wird wohl ein Krüppel bleiben. Lahmt auf dem linken Arm.«
»Das ist für ihn schlimmer als der Tod«, sagte Mustin leise.
»Nicht für Kramskoj. Er hat noch den rechten Arm mit beweglichen Fingern. Für seine Griffe reicht das!«
Boris zeigte auf den Säbel. »Ein Geschenk vom Fürsten Jussupow. Was mache ich damit?«
»Kramskoj eines Tages wirklich töten!« erwiderte der Zwerg ernst. »Du wirst es tun müssen, Söhnchen, denn er wird dich mit seinem Haß bis zum letzten Atemzug verfolgen …«
VIII
Konstantin Petrowitsch
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