Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Tochter wird bald Baronin von Soerenberg heißen …«
    »Wer weiß das besser als ich? Aber ich habe einen Befehl und muß ihn ausführen.« Er zeigte auf einen großen vergoldeten Käfig in Pagodenform, den zwei Lakaien hereingetragen hatten.
    Der weiße Papagei hockte auf der mittleren Stange und betrachtete Rosalia aus zwinkernden grünen Augen.
    »Ein Geschenk des Zarewitsch für die neue Wohnung. Er wußte von dem Umzug noch am gleichen Abend – der Spitzeldienst ist gut organisiert. Der Papagei ist für Demoiselle Matilda bestimmt. Er kann sprechen …«
    »Dann sag mal was!« rief Rosalia gegen den Käfig und beugte sich vor.
    »So nicht!« Mustin trat zur Seite. »Er reagiert nur auf ein Codewort. Sagen Sie bitte: ›Ich bin Matilda!‹«
    »Ich bin Matilda!« rief also Rosalia.
    Der Papagei sträubte sofort seine Federn, stieß den Kopf kräftig vor und antwortete:
    »Ich heiße Niki!«
    Ganz deutlich war das, ein wenig krächzend zwar, aber doch klar.
    »Ich heiße Niki … ich warte auf dich … ich warte auf dich … Niki immer bei dir …«
    Rosalia saß wie gelähmt vor diesem Wunder in ihrem Sessel und starrte den Vogel mit offenem Mund an. Erst als Mustin weitersprach, begriff sie, was da ins Haus gekommen war. Der Zwerg sagte:
    »Ich konnte es nicht verhindern. Ich bin nur der Narr … Niki ist der Kosename des Zarewitsch …«
    Das Duell zwischen Fürst Kramskoj und Boris von Soerenberg blieb tatsächlich ein Geheimnis.
    Das war an sich ein Wunder, denn gerade St. Petersburg war ein berüchtigtes Klatschnest, in dem nichts verborgen blieb. Über alles und jedes wurde hinter vorgehaltener Hand gesprochen, und die größten Geheimnisse waren die, die jeder kannte. In den Salons des Adels ersetzte das Flüstern eine Zeitung, und es gab in diesen Zeiten sicherlich vieles, was man mit entsprechendem Augenzwinkern oder fatalem Staunen weitergeben konnte … Angefangen von einer Liebesaffäre bis hin zu einer politischen Verschwörung, von Schlafzimmergeheimnissen bis zur drohenden Gefahr einer neuen Revolution, waren alle Themen begehrte Unterhaltungsstoffe. Sie wissen doch, junge Wirrköpfe, die im Sinne hatten, Rußland statt von dem gottgewollten Zaren vom Volk regieren zu lassen … Rußland, unser heiliges Rußland, von einem Kollektiv regiert – welch ein Irrsinn! In den Salons nahm man die junge Generation, die sich Kommunisten nannten, nicht ernst.
    Fürst Jussupow hatte es glänzend verstanden, das Duell als eine ganz private Sache dem öffentlichen Interesse zu entziehen. Der geschlagene Kramskoj lag zähneknirschend und auf Rache sinnend in einem Bett auf der ersten Etage des Palais, aber in einem besonders abgeschlossenen Flügel, den nur zwei besonders schweigsame Diener betreten durften … sie waren von Geburt an taubstumm.
    Jussupow hielt sich die beiden für besonders delikate Aufgaben, stumm wie Automaten verrichteten sie ihre Missionen und waren ihrem hohen Herrn geradezu hündisch ergeben. Wer beschäftigte schon zwei Taubstumme, wo es in St. Petersburg soviel Armut und so viele Arbeitslose gab neben diesem geradezu unerhörten Reichtum.
    Hier also, in dem als Privatklinik ausgestatteten Gebäudeflügel, erschienen, durch dringende Depeschen herbeigerufen, die Professoren Ducroix aus Paris und Henry Baldwin aus London, um Kramskojs Arm zu untersuchen.
    Professor von Bergmann aus Berlin hatte leider absagen müssen, in Genf fand ein Kongreß der Hirnchirurgen statt, den er nicht versäumen durfte.
    Für die beiden anderen Herren aber bedeutete der Ruf des Fürsten Jussupow eine große Ehre, die vor allem auch vergoldet wurde. Der Fürst zahlte Honorare, die dem Jahresgehalt eines Medizinprofessors gleichkamen.
    Die eingehenden Untersuchungen ergaben, daß Kramskojs Arm nicht steif blieb, sich aber später nur noch bis zur halben Höhe bewegen lassen würde. Was man befürchtet hatte, wurde nun zur Gewißheit: Kramskoj blieb ein behinderter Mensch.
    »Ich bringe ihn um!« sagte er dumpf, nachdem das endgültige Urteil feststand.
    Fürst Kramskoj saß im Bett, Jussupow hatte mit Champagner auf das gute Ergebnis der Untersuchungen angestoßen. Insgeheim hatte er damit gerechnet, daß Kramskoj gelähmt blieb.
    »Felix, ich werde seine Spur verfolgen wie der Wolf den Blutgeruch. Und irgendwo treffe ich ihn wieder – und töte ihn! Ein Kramskoj als Krüppel, eines kleinen Hürchens wegen! Mir setzt der Herzschlag aus!«
    »Soerenberg wird dir immer überlegen sein!«
    »Und wenn ich ihn

Weitere Kostenlose Bücher