Es blieb nur ein rotes Segel
Mistvieh, ein wahres Saustück!« schrie Rosalia in den ersten Tagen. »Ich erdrossele es! Ich drehe ihm den Hals um! Seinen häßlichen Kopf schlage ich ihm ab! Gibt es denn so etwas? Sage ich: ›Schluß jetzt, du schielendes Aas!‹, antwortet der Teufel doch: ›Ich warte auf dich. Ich heiße Niki!‹ Wie kann man das ertragen?«
Man mußte es ertragen.
Der Papagei konnte es sich leisten, denn er besaß eine unantastbare Lebensversicherung: Er war ein Geschenk des Zarewitsch.
So etwas konnte man nicht einfach in eine dunkle Ecke stellen oder ihm den Hals umdrehen – das war völlig unmöglich.
Was blieb Rosalia anderes übrig, als den Kampf mit dem Vieh aufzunehmen und sich damit in eine aussichtslose Lage zu begeben? Denn der Papagei, bisher nur an vornehme Rede gewöhnt, die ihm ein kaiserlicher Vogelwart beigebracht hatte, lernte nun Dinge, die in keinem Palais gesprochen wurden.
Rosalia fiel daher fast leblos in einen Sessel, als sie eines Morgens lautstark von dem Papagei mit den zwei Worten begrüßt wurde: »Altes Luder!«
»Das ist zuviel!« keuchte die Bondarewa. »Das überlebe ich nicht! Die Hölle an deinen Hals, du Satansvogel!«
»Schiefmaul!« antwortete der Papagei und flatterte dabei mit den Flügeln. »Ich warte auf dich! Ich heiße Niki! Niki ist immer bei dir! Altes Luder – Mißgeburt!«
Das letzte Wort mißlang etwas, ein Papagei kann nicht gut artikulieren. Es klang wie ›Mischburt‹, aber Rosalia wußte genau, was es bedeutete.
Auch der Zwerg Mustin war fasziniert von den Gelehrsamkeiten des Vogels. Als er nach einer Woche wieder zu Besuch kam und ihn der Papagei mit »Altes Luder!« begrüßte, sah er aber die Bondarewa doch vorwurfsvoll an.
»Wie kann ich wissen, daß er solch ein ungebildeter Teufel ist?« schrie sie und deutete mit der Faust auf den Papagei. »Alles spricht er nach!«
»Das ist die Besonderheit dieser Vögel«, sagte der Zwerg. »Sie lernen alles.«
»Alles?« Rosalia wurde rot.
»Und sie sehen alles.«
»Auch das noch!«
»Und was sie sehen, das verstehen sie auch!«
»O Himmel!« Die Bondarewa fiel schwer auf ihren Diwan. »Ist dieses Miststück männlichen oder weiblichen Geschlechts?«
»Männlich!« antwortete Mustin ohne Zögern, ohne zu wissen, was der Papagei wirklich war. Man hatte sich darum nie gekümmert, er wurde nur aufgrund seiner Gelehrigkeit zu dieser Mission ausgewählt.
Rosalia Antonowna starrte den Vogel an. Sie schämte sich bis in die Tiefe ihres Herzens. Dreimal war sie nackt durch die Wohnung gelaufen, vom Bad ins Schlafzimmer, denn Baden war zu ihrem größten Spaß geworden.
Solange sie lebte, hatte sie nie Gelegenheit gehabt, in einer Badewanne zu liegen wie die hohen Herrschaften. Im Sommer hatte sie wohl ein paarmal an einsamen Plätzen in der Newa oder im Meer gebadet; und aus ihrer Jugendzeit besann sie sich eines Flüßchens mit buschbewachsenen Ufern, wo man sich erst liebte und dann den sündigen Leib im kalten fließenden Wasser reinwusch.
Nun besaß sie sogar ein Badezimmer aus weißem Marmor, mit einer riesigen Wanne mit goldenen Kränen; man konnte sich ins warme Wasser legen und sich wohlig durchweichen lassen, und es gab sogar Duftwasser, mit dem man das Badewasser verfeinerte, und Seife, die nach Jasmin oder Rosen oder Nelken roch. War das eine Wonne, so eine Stunde lang im Wasser zu liegen und dann, nach allen Blumen duftend, nackt herumzulaufen! Wer dachte da schon daran, daß solch ein verdammter Vogel ein Männchen war, alles sah, alles verstand, als sei er ein Mensch? »Altes Luder!« sagte der Papagei aus tiefster Brust. Dabei blinzelte er Rosalia zu wie ein Kumpan aus den engen Gassen des Marktes.
»Beherrscht er noch mehr solcher Ausdrücke?« fragte Mustin Fedorowitsch.
»Ich weiß es nicht«, stammelte die Bondarewa. »Gott verzeih mir, aber mir versagt das Herz …«
»Es kann nämlich sein, daß der Zarewitsch zu Besuch kommt.«
»Hierher? Ich sterbe, Mustin …«
»Und er wird sagen: Ah, da ist ja mein lieber Papagei! Wie geht es dir? Und was wird der liebe Vogel dann antworten?«
»Mißgeburt!« krähte der Papagei. »Altes Luder!«
»Der Zarewitsch wird entsetzt sein.«
Die Bondarewa wurde blaß, beugte sich zu dem Zwerg hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Man sollte ihn vorher vergiften …«
»Sie können doch unmöglich ein Geschenk des Thronfolgers vernichten!«
»Ein Unfall! Frißt ein paar schlechte Körnerchen, ehe man es verhindern kann. Welch ein Unglück! Ich werde
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