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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beschlagnahmt! Judaslohn!«
    Damit war der Täter gefunden, aber nicht der Auftraggeber im Hintergrund. Er blieb im dunkeln. Und für die Polizei bestand weiterhin das Rätsel, denn es gab kein Motiv! Wer hatte schon ein Interesse daran, Matilda Felixowna zu töten?
    So blieb nur eine Erklärung, die in Rußland jedermann glaubte: die Politik! Fanatische Extremisten, die alles in die Luft sprengten, was die innere Ordnung festigte. Es galt, Werte zu zerstören, auch kulturelle Werte. Der neue Stern am Balletthimmel Rußlands war ein solcher Wert. Der Polizeibericht wurde deshalb eine politische Anklage, und verdächtige Leute, die man in den nächsten Tagen verhaftete und in die Peter-und-Pauls-Festung brachte, waren baß erstaunt.
    Am Abend dieses ereignisreichen Tages kamen neue Blumenkörbe in das Stroitskypalais, diesmal für Rosalia Antonowna. Der Zarewitsch bat um die Ehre, morgen seine Aufwartung machen zu dürfen.
    Die Bondarewa versank in neue Schrecken, aber sie fiel nicht um, denn sie lag noch im Bett.
    »Der Zarewitsch kommt zu uns? Tatsächlich, er kommt! Am ersten Weihnachtstag! Helft mir! Ich verstecke mich! Matilda, sag einfach, man habe Verdacht auf Pest bei mir festgestellt. Dann lassen sie mich in Ruhe.«
    »Unmöglich, Mamuschka. Du wirst Nikolai Alexandrowitsch einen guten Tee kochen. Ich muß morgen tanzen. Der Zar gibt für seine Familie und für seinen kleinen Kreis eine Soiree in seinem Privattheater. Dann bringt mich der Zarewitsch hierher.«
    »Und ich sterbe!« röchelte Rosalia Antonowna. »Ist das ein Weihnachtsfest? Früher, in der Krasnogary, da habe ich uns Kuchen gebacken, wir haben gemeinsam gesungen; wir waren zwar arm, aber glücklich und zufrieden. Keiner warf Bomben auf uns, keiner ließ vor meinem Fenster Attentäter erfrieren, nur der liebe, gute alte Minajew war da und schenkte uns aus seinem Trödlerladen das beste Stück.«
    »Du kannst morgen auch Kuchen backen und mit uns singen …«
    »Mit dem Zarewitsch? Singen? O Gott!« Sie verdrehte die Augen, zog die Decke über ihren Kopf und lag da wie eine zugedeckte Tote.
    Später stand sie doch auf, betrachtete die Blumenpracht in ihrem Zimmer und beschloß, dem Zarewitsch morgen einen Butterkuchen zu backen, wie man ihn zu Weihnachten am Ilmensee ißt.
    Man soll nicht glauben, daß der Anschlag bei Matilda keine Spuren hinterlassen hatte. Boris Davidowitsch hatte in den ersten Stunden große Mühe, sie zu beruhigen, aber erst, als der Brief und die Blumen des Zarewitsch eintrafen und Soerenberg ihr einen französischen Cognac einflößte, beruhigten sich ihre Nerven.
    »Was habe ich getan?« fragte sie immer wieder. »Boris, sag mir, was ich getan habe! Es kann doch nicht wahr sein, daß man mich töten will, weil ich gut tanzen kann, weil ich schön bin, wie man sagt, weil ich Erfolg hatte. Muß ich jetzt jedesmal nach einem Auftritt denken: Kommst du lebend nach Hause? Tötet dich jemand, wenn du aussteigst?«
    »Ich glaube nicht, daß sich der Anschlag wiederholt«, sagte Soerenberg. Auch er wußte keine Erklärung –, an Fürst Kramskoj dachte er nicht. »Wir stehen alle vor einem Rätsel!«
    Später vereiste dann der kleine Dragonetz, ohne den Mund aufgemacht zu haben, und nahm sein Geheimnis mit sich, für das er vielleicht sogar sein Leben behalten hätte, wenn er mit diesem Einsatz gespielt hätte.
    So aber blieb alles im dunkeln.
    Am Vormittag des ersten Weihnachtstages begleitete eine starke Eskorte von Gardehusaren die geschlossene Kutsche des Zaren, die Matilda zur Soiree abholte. Boris Davidowitsch saß neben ihr, seine Reiterpistole schußbereit auf den Knien. Der Zwerg Mustin, der mit der Kutsche vom Anitschkowpalast gekommen war, blieb im Stroitskypalais bei Rosalia Antonowna.
    »Ja, Sie sind ein wahrer Kavalier, Mustin Fedorowitsch«, sagte die Bondarewa dröhnend. Seit dem frühen Morgen war sie auf den Beinen, scheuchte die Dienerschaft herum und brachte die Köchin zur Verzweiflung, die Honigkuchen für den Zarewitsch backen wollte und sich weigerte, einen Butterkuchen nach Ilmenseeart zu backen. Das sei ein Armeleutekuchen, bestreut mit Zucker und Zimt …
    Rosalia Antonowna warf kurz entschlossen den bereits angerührten Teig für den Honigkuchen an die Küchenwand, nannte die Köchin eine Stinkkatze und befahl, alles herzurichten für einen vernünftigen Kuchen.
    »Sie wollen mir helfen«, sagte sie nun zu dem Zwerg. »Das nennt man wahre Freundschaft! Fangen wir damit an, die faule Bande von Gesinde

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