Es blieb nur ein rotes Segel
Alexandrowitsch dumpf. »Nichts ist ihnen mehr heilig! Jetzt töten sie schon die Schönheit, um Rußland zu treffen! Was sind das nur für Menschen? Was hat ihnen eine Frau wie Matilda getan? Und solche Kreaturen glauben, sie seien ausersehen, Rußland zu beherrschen? Gott im Himmel, wo steuert unser Land hin? Soll mein schönes gläubiges Vaterland zu einem Verbrecherstaat werden? Boris Davidowitsch, wir müssen diese Bombenleger finden und vernichten!«
In Rußland wurde eben immer nur politisch gedacht. So etwas ändert sich nie.
Als Geschenk des Zarewitsch wurde eine Kalesche voll Blumen bei Matilda abgegeben. Dabei lag ein Briefchen:
»Teuerste, Gott hat Dich beschützt. Wie kann man mit Worten das Entsetzen ausdrücken, das ich über diese ruchlose Tat empfinde? Ich werde alles tun, um Dich zu beschützen. Es kann nur die Tat eines Wahnsinnigen sein, – eine andere Erklärung gibt es nicht. N.«
XI
Der einzige Mensch, der außer den Beteiligten die Wahrheit wußte oder zumindest ahnte, schwieg zunächst betroffen: Fürst Jussupow.
Dann fuhr er zu Fürst Kramskoj und hielt sich nicht damit auf, sich anmelden zu lassen. Er stieß den Kammerdiener zur Seite und riß den Salon auf.
Kramskoj saß auf einer Chaiselongue und las in einem Journal. Er machte einen zufriedenen Eindruck und winkte Jussupow erfreut zu. Da er seinen rechten Arm nicht heben konnte, hatte er sich ein Lesepult bauen lassen, auf dem das Journal lag und wo er es mit der linken Hand umblättern konnte.
»Du kommst genau richtig zum Tee!« sagte er zur Begrüßung. »Setz dich! So ernst! Was ist los! Schlechte Nachrichten von deinen Gütern? Daran muß man sich gewöhnen! Die besten und ehrlichsten Verwalter sehen es heute als Sport an, die Herrschaft zu betrügen. Mein Lieber, die Sitten verfallen zusehends …«
Der Fürst nahm Platz.
»Bei Matilda Felixowna ist vor einer halben Stunde eine Bombe explodiert!« sagte Jussupow dann rauh.
Kramskoj lehnte sich zurück.
»Das ist ja furchtbar! Wo denn? Im Haus? Ist jemand zu Schaden gekommen?«
»Die Bombe lag versteckt in ihrer Troika. Sie ging zu früh los.«
»Ach!« Kramskoj starrte gegen die bemalte Decke des Salons. Ein italienischer Maler hatte sie mit allegorischen Bildern geschmückt. »Der neue Stern von St. Petersburg ist unverletzt?«
»Stell dir vor … welch ein Pech für den Attentäter! Nur die Pferde und der Kutscher mußten daran glauben. Matilda war noch im Haus.«
Jussupow kam näher, trat plötzlich das Lesepult zur Seite und griff zu. Er riß Kramskoj von seiner Chaiselongue und zog ihn an sich. »Du hast dazu nichts zu sagen?« fragte er heiser.
Kramskojs Augen flammten. »Willst du auch ein Duell?« fragte er gepreßt. »Mit Säbel geht es leider nicht mehr. Links kann ich schlecht schießen, – das wäre ein unfairer Kampf. Aber wir könnten uns aus nächster Distanz anspucken …«
»Das möchte ich jetzt!« Jussupow ließ Kramskoj los. »Verlasse Rußland … so schnell wie möglich!«
»Bist du verrückt? Warum?«
»Es ist das letztemal, daß ich schweige.«
»Du hast keinerlei Beweise.«
»Der Uhrmacher Kyrill Abramowitsch Stepura hat gestern einen Karton in dein Haus gebracht. Soll man ihn fragen?«
»Stepura hat eine kleine Tischuhr repariert.«
»Ob er das auch aussagt, wenn man ihn bei der Ochrana im dritten Keller verhört?«
Jussupow ging zum Fenster und blickte hinaus. Ein dick vermummter Straßenarbeiter kehrte den Schnee von der gebogenen Brücke über den zugefrorenen Kanal.
»Der Zar selbst hat sich eingeschaltet! Noch, heute noch, bin ich dein Freund, Valentin Wladimirowitsch! Aber es wird immer schwerer, es zu bleiben, und es ist abzusehen, wann es unerträglich wird! Willst du in Ketten nach Sibirien, auf Sachalin? Wenn die Wahrheit herauskommt, ist niemand mehr da, der dich schützt!«
Kramskoj schwieg, aber in seinen Augen, die von Zeit zu Zeit ausdruckslos und fischig wurden, glühte der Haß.
»Ein Kramskoj soll an einer hergelaufenen Tänzerin zugrunde gehen?« fragte er leise.
Jussupow kam in das Zimmer zurück. Beginn des Wahnsinns, dachte er, und sagte: »Die Sonderkommission hat ihre Tätigkeit aufgenommen. Willst du warten, bis man eine Spur aufrollt?«
»Es gibt keine Spur.«
»Von selbst ist die Bombe nicht in die Troika geschlichen!«
»Du willst mich zwingen, meine Heimat zu verlassen, meine Güter aufzugeben, das Palais verfallen zu lassen – nur, weil ich mir das Recht der Rache nehme?«
»Was hat diese
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