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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbindlich steif gegenüber seinem russischen Vetter, mit hochgezwirbeltem Schnurrbart und abgehackter Rede. Es waren ferner erschienen: Großfürst Wladimir und Gemahlin, die Herzöge von Coburg und Gotha, die Prinzen von Sachsen, der Großherzog von Württemberg, die Prinzen von Glücksburg und Holstein, der Prinz von Baden, Fürst und Fürstin …
    Der Zarewitsch schüttelte Hände, plauderte charmant und wurde dann von Großfürst Wladimir zur Seite genommen.
    »In einer halben Stunde siehst du Alice«, sagte er bedeutungsvoll. »Himmel, spielt sie eine Komödie! Seit fünf Jahren lernt sie Russisch! Wenn sie will, kann sie sich mit dir in unserer Sprache unterhalten! Aber – sie ziert sich! Und mit orthodoxen Priestern hat sie auch seit Jahren Kontakt – und was tut sie? Sie weigert sich, zur Orthodoxie überzutreten, die Grundbedingung einer Zarin! Sie will, daß du sie darum bittest. Was das bedeutet, ist dir ja klar. Du mußt dich erklären! Und weißt du, wer am meisten bohrt, wer seine Kusine geradezu bedrängt, orthodox zu werden? Wilhelm II. der Schutzherr der protestantischen Kirche! Er glaubt, wieder einmal große Politik zu machen, und merkt gar nicht, daß Alice dich wirklich liebt. Auch vor dir wird sie sich zieren. Aber laß dich nicht täuschen: Sie wartet nur auf dein erlösendes Wort!«
    Großfürst Wladimir behielt recht.
    Kaiser Wilhelm II. hatte einen Wink bekommen, die englische Königin faltete die Hände. Irgendwo in einem Salon wartete Alice …
    Mit klirrender Uniform kam Wilhelm zu Nikolai und sagte: »Lieber Vetter, ich weiß, wo deine Gedanken sind. Dein Glück ist auch unser Glück – packe es fest an!«
    Dann ging er voraus, mit schepperndem Säbel und hochgedrehtem Schnurrbart, riß eine Tür auf und schob Nikolai hinein. Zufrieden zog er dann die Tür wieder zu. Ein neues Beispiel diskreter deutscher Politik war gelungen.
    Sie standen sich gegenüber, stumm und verlegen, sahen sich an mit großen Augen und versuchten ein schwaches Lächeln.
    Wie schön sie ist, dachte Nikolai. Wie zart und lieblich. Sie wird die schönste Frau auf Rußlands Thron sein.
    Wie männlich er geworden ist, dachte Alice. Sein Bart ist dichter, seine Augen strahlender. Auch breiter scheint er geworden zu sein. Und sicherer, viel sicherer! O Himmel, ich möchte ihm entgegenlaufen und mich in seine Arme werfen …
    Aber sie gingen nur auf sich zu, Nikolai küßte ihr die Hand, und sie sagte mit fast kindlicher Stimme: »Setzen wir uns doch, Niki …«
    In sein Tagebuch trug der Zarewitsch am Abend ein:
    »Sie trat mit traurigem Gesicht gegen zehn Uhr vormittags ein. Man ließ uns allein, und nun begann zwischen uns dieses Gespräch, das ich seit langem ersehnte und fürchtete. Wir haben bis Mittag gesprochen, aber ohne Ergebnis. Sie widersetzt sich dem Religionswechsel noch immer. Die Arme, sie hat viel geweint. Sie war ruhiger, als wir uns trennten.«
    »Ich sage es ja!« bemerkte Großfürst Wladimir, als Nikolai ihm Bericht erstattete. »Sie will erobert werden! Kaiser Wilhelm läuft herum, als habe man ihn persönlich beleidigt. Niki, du mußt sie morgen wieder sprechen! Von deinem Vater liegt eine Depesche vor: ›Erwarte Meldung!‹ Niki, du liebst sie doch auch …?«
    Der 6. April 1894. Der Zarewitsch trug in sein Tagebuch ein:
    »Alice ist gekommen. Ich habe weniger an die Frage von gestern gerührt. Es ist schön, daß sie einverstanden war, mich zu sehen und mit mir zu sprechen.«
    Sie taten mehr an diesem Tag, als miteinander zu sprechen. Sie küßten sich, Alice weinte vor Glück, und dann traten sie aus dem Salon, Arm in Arm, das helle Glück in ihren Gesichtern, und Großfürst Wladimir sagte in einer Ecke des großen Zimmers:
    »Endlich! Meine Sorge um Rußland ist dahin …«
    Es war ein Wort, das Gottes Ohr nicht erreichte. Aber wer ahnte das damals?
    Am 7. April 1894 wurde die Verlobung zwischen dem russischen Thronfolger und der Prinzessin Alice von Hessen offiziell bekanntgegeben.
    Eine Depesche, die am 6. April abgeschickt wurde, wurde am 7. April schon in den russischen Zeitungen abgedruckt.
    Der Zwerg Mustin Fedorowitsch Urasalin und die Ballettmeisterin Tamara Jegorowna machten sich sofort auf den Weg zu Matilda, um ihr beizustehen. Vor allem wollten sie verhindern, daß sie eine Zeitung las, bevor sie mit ihr gesprochen hatten.
    Sie kamen zu spät.
    Rosalia Antonowna empfing sie in der Halle des Stroitskypalais. Sie starrte Mustin mit rollenden Augen an und schwang einen

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