Es blieb nur ein rotes Segel
werden.«
Als Jussupow das Palais verließ, weinte Kramskoj und zerriß schluchzend mit den Fingernägeln die Seidenpolster seiner Sessellehnen.
Vier Tage später reiste Fürst Kramskoj ab, mit kleinem Gefolge in zwei Kutschen. Sein Ziel war der Hafen von Danzig.
Von dort brachte ihn ein Schiff nach England. Ein Makler hatte bereits einen Landsitz in Hampshire, in einem parkähnlichen Hügelland, gekauft.
In St. Petersburg vermißte man den Fürsten Kramskoj kaum.
Nur drei junge Mädchen sahen verzweifelt der Zukunft entgegen. Sie waren schwanger, und er hatte sie ohne Apanage zurückgelassen.
Ende Februar 1894 war es selbst dem Bären Alexander III. zuviel, – er rief unter größter Geheimhaltung seinen Leibarzt zu sich in das Arbeitszimmer und stellte sich vor ihn hin. Groß, breit, ein wuchtiger Mann, der mit einem Fußtritt Felsen spalten kann.
»Wie sehe ich aus?« fragte der Zar laut. »Was denken Sie als Arzt, wenn Sie mich so anblicken?«
»Unbesiegbar wie das russische Reich!« antwortete der Leibarzt vorsichtig. Bei Alexander wußte man nie, wie man reagieren sollte.
»Das wäre traurig«, brummte der Zar. »Sie sehen also nichts?«
»Nichts.« Der Leibarzt wurde noch vorsichtiger. Er musterte den Zaren, aber was da vor ihm stand, breitbeinig wie ein Muschik, strotzte vor Gesundheit. »Haben Majestät Beschwerden?«
»Ist es normal, daß man im Rücken Stiche hat?«
»Majestät …«
»Ruhe! Ist es normal, daß man beim Wasserlassen sich manchmal krümmen muß, so zieht es im ganzen Leib …«
Der Leibarzt wurde fahl im Gesicht. »Seit wann haben Majestät diese Beschwerden?« fragte er mit belegter Stimme.
»Seit Wochen … Monaten …« Alexander III. wischte die Worte, die der Arzt sagen wollte, mit einer weiten Handbewegung weg. »Ich weiß: Warum sagen Sie das erst jetzt! – Der dämlichste Satz aller Mediziner! Ein fabelhaftes Alibi!«
»Wir kennen alle den Willen Eurer Majestät, nie krank zu sein.«
»Und war ich krank, he? Mal ein Schnupfen, mal ein Hüstchen, mal zu harter Stuhlgang. Ihr Ärzte habt es mit mir leicht gehabt. Aber jetzt geht es nicht mehr! Seit vier Tagen laufe ich mit Schmerzen herum. Es ist, als wenn es mich zerreißt! Hier«, er zeigte nach hinten, »und hier« – seine Hände beschrieben einen Kreis um den Unterleib –, »überall krampft sich das Eingeweide zusammen! Ist das normal?«
»Wir müssen Sie genau untersuchen, Majestät. Ein Konsilium …«
»Damit es die ganze Welt erfährt? Je mehr Ärzte, um so mehr Schwätzer!« Der Zar knöpfte seine Hose auf und warf seine Jacke ab. »Hier, sehen Sie nach! Jetzt sofort! Wozu tragen Sie den Professorentitel?«
Die alte Haßliebe zu den Ärzten, dachte der Leibarzt. Man kennt sie. Wenn ein Arzt an mir herumpraktiziert, weiß ich, es geht zu Ende mit mir, hatte Alexander III. einmal gesagt, und alle hatten gelacht. Nun zog sich der Zar freiwillig aus und legte sich mit dem Bauch auf das Sofa.
Die Untersuchung dauerte zwanzig Minuten. Dann ahnte der Leibarzt, an was der Zar erkrankt war. Beide Nieren waren geschwollen … beim Palpieren stöhnte der Zar auf und knirschte mit den Zähnen.
Bleich ging der Leibarzt zu dem marmornen Waschbecken im Hintergrund des Zimmers und wusch sich die Hände. Alexander III. setzte sich auf … nackt und wuchtig. Ein kraftvoller Männerkörper, schien er alles andere als eine medizinische Sorge.
Oder doch?
»Was habe ich?« fragte der Zar.
»Ich muß Majestät bitten, unbedingt ein Ärztekonsilium zuzulassen. Einen Urologen, einen Chirurgen, einen Kardiologen …«
»Auch einen Gynäkologen?« bellte der Zar ironisch. »Was steckt in meinem Körper? Heraus mit der Sprache …«
»Ich befürchte einen Nierensteinbefall beider Nieren. Dadurch ist es zu einer beiderseitigen Nephritis gekommen, die, wenn sie nicht beherrscht wird und die Steine nicht zum Abgang gebracht werden, zu einer Anurie mit Urämie führen kann.«
»Hat man mich mit lateinischem Wasser gebadet?« Der Zar klopfte auf das Sofa. »Sprechen Sie deutlich: Beide Nieren sind Ruinen …«
»Noch nicht, Majestät. Ich kann mich irren. Wir müssen einen Urologen …«
Alexander III. winkte ab. Der Leibarzt begann, ihn stumm zu bewundern. Die Schmerzen, die dieser Mann seit Wochen ertrug, ohne einen Laut von sich zu geben, mußten ungeheuerlich sein. Eine Nierenkolik kann die Nerven zerreißen …
»Wie lange lebe ich noch?« fragte der Zar unvermittelt.
»Wir werden zunächst durch Spülungen die
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