Es blieb nur ein rotes Segel
übrigblieb, als Alexander III. zu warnen.
Die Liebe zwischen dem Thronfolger und der Ballerina hatte Formen angenommen, die man nun politisch betrachten mußte. Auch der ehemalige Erzieher Nikis und sein jetziger Vertrauter, der verschlossene Katkow, mußte zugeben, daß Matilda Felixowna im Leben des Zarewitsch eine größere Rolle spielte als sein Bewußtsein, einmal Zar zu werden.
Alexander III. schnaubte durch die Nase –, ließ Nikolai zu sich kommen und sagte grob:
»Sie soll tanzen, – dafür ist sie geboren! Aber den zukünftigen Zaren läßt sie ab sofort in Ruhe!«
Und Nikolai Alexandrowitsch wagte es zum erstenmal, zu seinem Vater zu sagen: »Ich bin unzufrieden mit dir, Papa. Du behandelst mich immer noch wie ein Kind! Uns alle behandelst du wie Unmündige! Ich werde weiter mit Matilda Zusammensein.«
»Dann werde ich sie verbannen!« schrie der Zar.
»Ich werde mit ihr ziehen, wohin sie auch geschickt wird …«
Nach diesem Gespräch war Alexander III. maßlos erregt und fassungslos. »Mein Sohn muß einen Hirnfehler haben!« sagte er zu Pobedonoszew. »Wie kann er Rußland regieren, wenn er einer Tänzerin unter den Rock kriecht? Konstantin Petrowitsch, wir müssen etwas tun! Kann man dieser Matilda nicht etwas entgegensetzen?«
»Es gibt nur eine Frau, die das möglich machen könnte«, antwortete Pobedonoszew, »und in die der Zarewitsch sich auch verliebte. Alice, Prinzessin von Hessen!«
»Diese Deutsche!« schnaubte der Zar. »Aus der Bluterfamilie!«
»Der Erbzwang ist nicht erwiesen; aber Alice allein hat bisher einen Eindruck auf den Zarewitsch gemacht, – sonst keine der in Frage kommenden Prinzessinnen.«
»Tasten wir uns vor … was können wir anderes tun? Bereiten Sie für das Frühjahr eine Reise Nikis nach Deutschland vor. Mein Gott, wir müssen alles tun, um die Dynastie zu erhalten.«
»Es ist nach meinen Informationen der einzige Weg.« Pobedonoszew war seit Wochen über alle Treffen des Zarewitsch mit Matilda informiert worden. »Alice von Hessen ist die einzige Frau, die der Thronfolger gegen Matilda Felixowna eintauschen würde … wenn er überzeugt wird, daß es für Rußland lebenswichtig ist! Trotz allem – er ist ein Romanow!«
»Gott gebe es!« sagte der Zar feierlich. »Das zu erleben, bleibt mir nur noch wenig Zeit.«
Pobedonoszew erstarrte.
Es war das erstemal, daß Alexander III. von einer Krankheit sprach, von der bis heute niemand etwas ahnte.
XII
Nach dem mißglückten Bombenanschlag im Stroitskypalais und dem schrecklichen Eistod des Schlossers Dragonetz, dem geheimnisvollen Mord an dem armen Uhrmacher Stepura, der die Bombe konstruiert und an den Fürsten Kramskoj geliefert hatte, erschien nun Fürst Jussupow zum letztenmal im Kramskojpalais.
»Ich bin gekommen«, sagte er steif, »um die Freundschaft zwischen Ihnen, Valentin Wladimirowitsch, und mir zu beenden. Wir haben nichts mehr gemeinsam. Sollten Sie beabsichtigen, auch mich zu ermorden, so dürfte das schwerfallen. Draußen warten zwanzig Mann meiner privaten Haustruppe, um Ihr Palais zu stürmen und Sie in Stücke zu hacken!«
Fürst Valentin Wladimirowitsch Kramskoj nickte. Er wußte, daß er auf voller Breite verloren hatte und daß ihn nun auch sein Freund Jussupow nicht mehr halten konnte.
Sein anderer Freund, der Zarewitsch, brüskierte ihn seit Tagen, er wurde nicht eingeladen, er nahm nicht an den gemeinsamen Ausfahrten teil, man behandelte ihn, wenn man sich im Anitschkowpalast traf, mit beleidigender Kälte.
Kramskoj wußte, woher dieser Umschwung kam. Nie war Niki allein, immer war Boris Davidowitsch an seiner Seite, und wenn es stimmte, was bereits alle wußten, daß nämlich der Thronfolger die meisten Stunden des Tages bei Matilda Felixowna zubrachte, dann hatte Kramskoj in St. Petersburg bald kein Feld mehr.
»Wohin?« fragte er und starrte Jussupow stumpf an.
»Überallhin … nur weg aus Rußland!«
»Es wird ein langsames Sterben sein«, entgegnete Kramskoj mit bebender Stimme. »Ein Russe ohne Vaterland …«
»Stepura starb schneller mit seinem zertrümmerten Schädel, und Dragonetz erfror auch rascher als ihm lieb war. Beide hätten wohl gern einen langsamen, aber natürlichen Tod in der Ferne dafür eingetauscht.«
»Ich habe sie nicht umgebracht!« schrie Kramskoj.
»Wollen wir um Begriffe streiten? Wer ist der Mörder …, der den Tod befiehlt oder der, dessen Hand ihn ausführt? Ich verachte Sie, Valentin Wladimirowitsch! Sie müßten von Hunden zerrissen
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