Es brennt!
mich, worüber sie sich unterhalten.”
“Du kennst doch die Frauen. Wahrscheinlich geben sie gerade den erotischen Fähigkeiten der Quinn-Männer Noten.”
“Im Ernst?”, fragte Dylan. “Darüber unterhalten sie sich? Aber sie kennen sich doch kaum.”
“Was weiß ich? Offenbar reden sie nicht über Sport. Und über Lippenstift und Nagellack kann man sich nur eine begrenzte Zeit unterhalten. Früher oder später wird sich das Gespräch um Männer drehen.”
“Ich gehe mal besser nach unten”, sagte Dylan. “Ich will nicht, dass Olivia sie verschreckt.” Er kletterte die Leiter herunter, und als er zum Bug kam, stieß er mit Olivia zusammen.
Sie lächelte und umarmte ihn spontan. “Meggie ist wundervoll. Pass auf, dass du es nicht vermasselst.”
“He, wieso glaubt jeder, ich würde es vermasseln?”
Dylan ging zu Meggie, die an der Reling stand. Sie sah auf den Hafen hinaus. Er trat hinter sie, legte die Arme um sie und drückte sie an sich. “Ist dir nicht kalt?”
“Doch. Ich wollte gerade reingehen und …” Ein Fisch sprang unten im Wasser, sodass sie erschrak und sich über die Reling beugte. “Was war das?”
Dylan legte das Kinn auf ihre Schulter und sah das sich kräuselnde Wasser. “Es könnte eine Meerjungfrau gewesen sein.”
Meggie grinste. “Die gibt es nur in Märchenfilmen.”
“Oh, da irrst du dich. Denn einer meiner Urahnen, Lorcan Quinn, traf eine Meerjungfrau. Ihr Name war Muriel.”
“Dann war dein Urahn genauso verrückt wie du.” Meggie schaute unverwandt aufs Wasser. Ein winziges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Dylan war nie gut im Märchenerzählen gewesen, aber er konnte der Versuchung, Meggie zu überzeugen, nicht widerstehen. Außerdem war es romantisch, mit ihr in den Armen dazustehen und auf die blinkenden Lichter des Hafens zu blicken, die sich im Wasser spiegelten. Dazu passte eine romantische Geschichte. “Lorcan war ein wildes Kind”, begann er. “Ein sehr dreister und allzu unverantwortlicher Junge. Eines Tages übertrieb er es mal wieder und sein Dad erklärte ihm, er solle sich nützlich machen. Also bot Lorcan an, das Boot zu nehmen und ein wenig zu fischen. Nun, er hatte nicht die Absicht, Fische zu fangen. Lorcan legte sich im Boot zu einem Nickerchen hin. Aber er schlief nicht lange. Als er die Augen öffnete, hörte er einen lieblichen Gesang. Er setzte sich auf und stellte fest, dass er weit vom Ufer entfernt war und mit der starken Strömung abtrieb.”
“Ich kann Irland in deiner Stimme hören”, sagte Meggie.
Dylan hatte nicht bemerkt, dass er das Märchen im weichen Akzent seines Heimatlandes vortrug. Aber genau so sollten die Märchen klingen – wie Musik. So waren sie ihnen von ihrem Vater erzählt worden, als sie Kinder gewesen waren. “Na ja, er schaute über Bord und entdeckte eine Meerjungfrau, die neben dem Boot schwamm. Ihr Name war Muriel und sie lebte in einem Königreich am Grund des Meeres. Sie berichtete Lorcan von der Schönheit und dem Reichtum dieses Königreichs und drängte ihn, mit ihr zu kommen. Aber Lorcan traute ihr nicht, denn er hatte Geschichten gehört von Meerjungfrauen, die die Fischer in den Tod locken. Daher schnappte er sich seine Ruder und kehrte zurück ans Ufer.”
“War sie denn nun eine gute oder eine böse Meerjungfrau?”, wollte Meggie wissen und drehte den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.
“Wart’s ab”, erwiderte Dylan und küsste sie auf die Nase. “Lorcan konnte die Meerjungfrau nicht vergessen. Jeden Tag hörte er ihren Gesang, wenn er mit dem Boot hinausfuhr. Während er ihr beim Schwimmen zusah, wurde ihm klar, dass er verliebt in sie war, in ihre Schönheit und den Klang ihrer Stimme. Aber sie stammte aus dem Meer und er vom Land, und so gab es keine Möglichkeit, zusammen zu sein. Trotzdem hielt es ihn nicht davon ab, zu ihr hinauszufahren, ohne Rücksicht auf das Wetter.
Eines Tages gab es einen heftigen Sturm und Lorcans kleines Boot wurde von einer gewaltigen Welle erfasst. Muriel rettete ihn, doch der Sturm war zu stark, sodass sie beide gegen die Felsen geschleudert wurden. Als Muriel sterbend in Lorcans Armen lag, bat sie ihn, sie wieder ins Meer zu werfen, denn nur das Meer konnte sie retten. Lorcans Liebe war stark, und obwohl er wusste, dass es seinen Tod bedeuten konnte, sprang er mit Muriel in den Armen zurück in den tosenden Ozean.”
“Und starb er?”
“In der Geschichte, die ich immer erzählt habe, fand er den Tod in den kalten, eisigen Tiefen des
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