Es darf auch mal Champagner sein
Zusammenhang nicht ausgeschlossen ist.«
Aber ich tat es dann doch nicht.
Mildred war meine Nachbarin jenseits der Hecke, sie lebte dort mit ihrem Mann Leland und ihren zwei Kindern, Dwight David und Mirakel. Mirakel war ein Mädchen. Beide Kinder waren eine eindringliche Warnung, lieber kinderlos zu bleiben.
Ich hatte Mildred wirklich gern. Unsere Kinder waren miteinander aufgewachsen. Sie hatte ihre erst verhältnismäßig spät im Leben bekommen und schien der Ansicht, dass sie nach so langer Wartezeit nichts anderes sein dürften als perfekt.
Das bestimmte ihr ganzes Leben.
Mit neun Monaten waren sie sauber.
Meine Kinder bekamen Rückfälle, wenn ich in ihrer Gegenwart meine Topfpflanzen sprühte.
Ihre waren mit einem Jahr bereits der Flasche entwöhnt.
Meine vernichteten pro Woche ein Dutzend Schnuller, indem sie sie zerbissen.
Dwight David und Mirakel bekamen Preise bei Musikwettbewerben, beim Football und Stipendien bei »Jugend forscht«.
Meine bekamen ein Freilos für einen Hamburger und einen Becher Malzmilch, weil sie beim Altpapiersammeln 50 Pfund zusammenbrachten.
Nie konnte ich vom Schulparkplatz wegfahren, ohne dass Mildred ans Fenster klopfte und begeistert hervorstieß: »Dein Sohn wird dir ja von den entsetzlich schweren Prüfungsaufgaben erzählt haben, oder?«
Mein Sohn hatte noch nie einen vollständigen Satz zu mir gesagt.
»Ich habe Dwight David gedroht, wenn er die Prüfung verhaut, kann er nicht Captain des Baseball Teams werden. Es ist mir egal, dass er einstimmig von seinen Teamkameraden gewählt worden ist. Prüfungsaufgaben gehen vor. Übrigens... interessiert sich dein Sohn nicht auch für Baseball?«
Mein Sohn interessierte sich nicht einmal für den Mülleimer, wenn wir ihm fürs Hinausbringen nicht einen Scheck ausschrieben.
Naheliegend, dass man zur Schnecke wird neben einer Mutter, deren Kinder nie lügen, nie mit vollem Mund sprechen und die Dankesbriefchen schreiben, wenn sie beim Spielen in unserem Garten einen Schluck aus dem Wasserschlauch genommen haben.
Wenn ich mich jemals durchsetzen wollte, musste ich bei Mildred anfangen. Eines Tages war sie gerade an ihrem Briefkasten und rief mir zu: »Hallo, da drüben? Wie geht's denn deiner Tochter im College?«
Ich lächelte und ging zu ihr hinüber. »Prima, danke.«
»Wie war doch der ulkige Spitzname, den man ihr gegeben hat?«
»Waschi.«
»Ah, ich habe wieder einen Brief von Mirakel bekommen«, sagte sie. »Wir verstehen uns so prima. Sie schreibt mir jeden Tag. Aber das tut deine Tochter sicher auch.«
»Sie hat sich vermutlich die Hausbibel auf den Fuß fallen lassen und kann daher nicht so oft zur Post gehen, wie sie möchte«, sagte ich.
»Ja, vermutlich«, meinte sie lächelnd. »Es gibt junge Menschen, die haben überhaupt kein Bedürfnis nach Familienkontakt. Sie nehmen das College zum Anlass, alle Bindungen zu zerreißen und sich ein ganz neues, eigenes Leben aufzubauen.«
Ich war wieder in die Falle gegangen und brachte es nicht fertig, ihr Kontra zu geben. Was lief da nur bei mir verkehrt? Warum konnte ich nie frei heraussagen, was ich dachte?
Als ich ins Haus ging, sah ich Helen, die eben aus dem Büro heimkehrte. »Hallo, da drüben!«, rief sie. »Hast du heute schon von deinem College-Kind gehört?«
Ein zweites Mal ließ ich mich nicht aufs Kreuz legen. »Gewiss, gewiss«, log ich. »Sie schreibt mir täglich.«
»Sie hängt also immer noch an den Schürzenbändern?«, fragte Helen kopfschüttelnd. »Mach dir keinen Kummer deswegen. Nach einer Weile wird sie geistig reifen und sich besser dort anpassen. Es dauert eben seine Zeit, bis man ein eigener Mensch ist und nicht mehr Mamas Liebling.« Wie ich es auch machte, es war verkehrt.
Was meine Kinder machten, war auch immer falsch. Wieso eigentlich waren meine Kinder vergesslich, andere Kinder »hatten Wichtigeres im Kopf«. Meine waren fett, andere Kinder waren »robust«. Meine waren »Spinner«, die anderen »non-konformistisch«. Meine waren faul, andere waren »profunde Denker«. Meine fielen durch, anderer Leute Kinder wurden »Opfer einer schlechten Lehrkraft«.
Eines Abends saß ich vor einer Show im Fernsehen.
Mein Mann fand, ich sei müde und müsse ins Bett, damit ich morgen früh nicht kratzbürstig sei. Sprach's und knipste das Licht aus.
Während ich mit weit aufgerissenen Augen im Dunklen hockte und auf den Bildschirm glotzte, wurde in der Talkshow eben der Autor des Buches »Rutsch mir den Buckel runter« vorgestellt,
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