Es darf auch mal Champagner sein
jede Veränderung.
Die Vorfreude auf das, was jeder neue Tag bringen wird, ist bei ihnen erloschen.
Woran man merkt, wenn man hinüber ist? Daran, dass man sich einen Fernsehfilm anschaut, den man schon beim ersten Mal saudumm gefunden hat, aber zu faul ist, ein anderes Programm ein- oder den Apparat abzuschalten.
Wenn man von sich in der Vergangenheitsform spricht.
Wenn man kaputte Nachthemden trägt und achselzuckend sagt: »Mich sieht ja keiner.«
Wenn man bei der Abreise aus einem Hotel am Empfang fragt: »Bin ich schon abgemeldet?«, und der Portier erwidert: »Sieht so aus, gnädige Frau.«
Sollten meine Kinder diese Zeilen zu Gesicht bekommen, bitte ich, Folgendes zu beachten: Ich bin noch nicht bereit, meinen Schmuck unter ihnen zu verteilen. Ich glaube, noch einige Jahre vor mir zu haben.
Ich möchte so werden wie der zweiundneunzigjährige Virgil Conner, der kürzlich seinen Doktor in Geschichte gemacht hat.
Ich möchte so werden wie die dreiundsiebzigjährige Veallon Hixson, die letztes Jahr in Arizona zum ersten Mal an einem Marathonlauf teilnahm.
Ich möchte werden wie Arthur Godfrey, der in einer Fernsehsendung einmal zu mir sagte: »Mit siebzig wäre ich gern in einen Vaterschaftsprozess verwickelt.«
Wenn ich achtzig bin, möchte ich Sachen sagen wie: »Also das habe ich noch nie gehört.« Oder: »Ich werde Mutter fragen, die weiß das bestimmt noch.« Oder: »Komm, wir kaufen es. Wir kriegen darauf eine Hypothek mit einer Laufzeit von 20 Jahren.«
Vor allem aber möchte ich sein wie die Frau, die ich in Ohio kennen lernte. Sie kaufte mit achtundsiebzig ein Haus in Florida und pflanzte eine kleine Palme in ihren Vorgarten.
Als der erstaunte Baumschulenangestellte sagte: »Aber Madam, diese Dinger wachsen höchstens fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter pro Jahr«, erwiderte sie: »Nun, wenn sie übers Dach hinausgewachsen ist, werde ich sie trimmen lassen.«
Rutsch mir den Buckel runter
Es verging kein Morgen, an dem mein Mann mir nicht beim Frühstück die ganze Zeitung laut vorgelesen hätte. Und wenn er las , erwartete er , dass jeder Mensch in einem Radius von 100 km aufhörte mit dem, was er gerade tat, und ihm zuhörte.
Er las mir die Leitartikel vor, das Wetter an der Westküste, was die Briefkastentante der Frau riet, deren Ehemann sich immer im Wandschrank anzog, die Sportberichte und den Ausgang des Bridgeturniers, ja sogar was in den Sprechblasen der Peanuts stand.
Es war glasklar, was er damit unterstellte: dass ich die Zeitung nicht selber zu lesen imstande war.
Eines Tages fing er an, mir eine Geschichte von einem Hund vorzulesen, der nach fünf Jahren wieder nach Hause zurückgefunden hatte.
»Hör dir das an«, sagte er. »Ein Spaniel in Butte, Montana...«
»Ja, ich hab's gelesen«, sagte ich.
»... fand nach fünf Jahren wieder heim, als die Familie im Urlaub in...«
»... den Everglades war und sich dort verirrte«, unterbrach ich ihn. Es war, als spräche man mit einem Kugelschreiber.
»Während seiner Abwesenheit«, fuhr er fort, »hatte er zwei Jahre lang ehrenvoll beim Militär gedient, ein Kind vor dem Ertrinken gerettet und ...«
»... eine Drogenrazzia erfolgreich durchgeführt.«
Diesmal sah er auf. »Hast du den Hund gekannt?«
»Ich hab dir doch schon gesagt: Ich hab es bereits gelesen.«
»Das hättest du doch gleich sagen können.«
In Gedanken malte ich mir aus, wie ich eines Tages mit der Schere hinüberlangen, die Geschichte, die er gerade las, ausschneiden und durch das Loch lugend äußern würde: »Ich habe auch mal lesen gelernt.«
Selbstbewusstsein hatte ich eben nie viel. Ja, eigentlich war ich immer noch überzeugt, so etwas sei angeboren. Entweder man bekam es mit... oder nicht.
Wenn eine Verkäuferin mir in die Umkleidekabine folgen wollte, musste ich immer den Drang unterdrücken, mich zu ihr umzudrehen und zu sagen: »Der Letzte, der mich im Unterkleid sah, ist blind geworden.«
Aber ich tat es dann doch nicht.
Ich hatte auch immer Lust, mich zu meiner Friseuse zu wenden und zu sagen: »Wenn ich Haare von der Konsistenz und Form eines eisernen Helmes hätte, wäre ich Wikinger.«
Aber ich tat es dann doch nicht.
Am heftigsten aber wünschte ich mir, eines Tages zu Mildred Harkshorn sagen zu können: »Mildred, du kannst mich mal mit deinen immens begabten Kindern, die alles früher und besser tun als alle anderen. Übrigens habe ich irgendwo gelesen, dass zwischen superklugen Kindern und neurotischen Müttern ein
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