Es duftet nach Liebe (German Edition)
in meinem Innern. Der Regen dazu ist nicht kalt, sondern warm, überflutet mich mit einer Vielzahl von Empfindungen, die ich verschlossen hatte.
Ich bin zurück auf dem Reitplatz. Staub liegt in der Luft. Vögel zwitschern und Pferde schnauben. Es riecht intensiv nach Heu und Pferd. Und nach ihm.
Seine Hand an meinem Bein. Blut schießt mir in den Unterleib. Damals wie heute.
Schnell wende ich den Blick. Aber nicht für lange. Er zieht mich an. Ich kann ihm nicht entkommen.
Es gab viele Männer, die mir Befriedigung verschafft haben. Jeder von ihnen trug insgeheim sein Gesicht.
Verrückt, aber so war es und ja: Ich bin seltsam.
Teenagerlieben halten doch nie sehr lange. Ich kann gar nicht mehr verliebt sein.
Mein Herz lacht mich aus, mein Körper verspottet mich.
„Ist der Mann da schwul? Der schaut dich die ganze Zeit so komisch an.“ Der kleine Junge zeigt auf mich und der Gewitterguss geht geradewegs über mir mit einem eisigen Schauer nieder.
Hastig senkte ich den Blick und starre auf das Magazin in meiner Hand. Schamesröte kriecht prickelnd über meine Wangen.
Gott, wie peinlich. Hoffentlich erkennt er mich nicht. Aber nein, es ist sechs Jahre her und ich … habe mich doch verändert. Die Haare sind lang. Viel zu lang, wie mein Chef meint und überhaupt … Oh nein, er erkennt mich ganz bestimmt nicht. Oder doch? Nur nicht hinschauen, nicht in seinen graublauen Augen versinken.
„Linus, das ist sehr unhöflich von dir.“ Die Mutter entschuldigt sich sofort hastig bei mir.
„Linus du bist blöd“, schimpft seine Schwester. Ich nicke stumm, erhebe nicht mal den Blick. Ich kann nicht mal verschwinden.
Ich spüre seinen Blick auf mir. Fürchte seine Worte, wenn ich ihn ansehen muss. Oh verdammt, schlechter konnte dieser Abend wirklich nicht werden.
Er sagt nichts und nach endlosen Minuten schiele ich seitlich hinüber. Er hat sich neben seine Frau gesetzt und unterhält sich leise mit ihr. Der Sohn hat sich an sie geschmiegt und zupft an ihrem Schal herum.
Nur langsam will sich mein Herz beruhigen. Die strickende Frau ist dran und weitere Menschen kommen herein. Ich starre noch immer auf dieselbe Seite, nehme nichts wahr. Alle Sinne sind auf ihn ausgerichtet. Ich würde so gerne einfach gehen.
Wie damals aus seinem Leben verschwinden und ihn aus meinem ausschließen. Wir hatten nie eine Chance. Egal wie oft meine Träume mir das vorgaukeln wollten. Der Beweis sitzt hier: seine Frau und zwei Kinder. Glücklicher Steffen.
„Hast du dir auch die Hand verletzt?“ Das kleine Mädchen setzt sich neben mich und schaut mich mitfühlend an. Ich hebe den Kopf und lächle schief. Sie sieht süß aus, er hat eine niedliche Tochter.
„Ja, sind wohl die Finger gebrochen“, erkläre ich leise. Ich will mich nicht durch meine Stimme verraten.
„Wie hast du denn das gemacht?“ Ihre großen Kinderaugen sind hellgrün. Nicht seine Augen.
„Ich bin von einem Auto auf meinem Fahrrad angefahren worden.“ Sie öffnet den Mund zu einem erschreckten: „Oh!“
„Ist nicht viel passiert“, fahre ich fort und betrachte meine Hand, die leise puckert und sich nutzlos anfühlt. „Nur mein Fahrrad ist hinüber.“
„Oh weh, wie kommst du denn dann nachhause?“ Ihre offenkundige Besorgnis rührt mich und sie lenkt mich gerade wunderbar ab.
„Ich hoffe, es fährt noch ein Bus. Sonst muss ich mir wohl leider ein Taxi nehmen.“
„Taxis sind blöd.“ Sie schnaubt. „Papa schimpft immer auf die Taxis, wenn er vom Flughafen heimkommt.“ Vom Flughafen? Er fliegt öfter? Was macht er wohl beruflich? Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, dass er auf dem Hof bleibt.
Die Schwester ruft die junge Frau herein und die Kleine springt auf, eilt mit ihnen hinaus. Steffen verschwindet mit ihnen und ich kann endlich erleichtert ausatmen.
Der Duft ist verschwunden. Er ist fort.
Gleich darauf hat der andere Arzt endlich Zeit für mich. Wie erwartet sind drei Finger gebrochen. Das Handgelenk ist jedoch nur verstaucht. Nichtsdestotrotz werde ich die nächste Woche nicht arbeiten können. Mein Chef wird begeistert sein.
Es ist vollkommen dunkel, als ich endlich fertig bin und mit dick einbandagierter Hand das Krankenhaus verlasse.
Es riecht nach Regen. Vermutlich wird ein Gewitter die warmen Temperaturen ablösen.
Ich habe keine Regenjacke dabei und ob überhaupt noch ein Bus fährt? Ich kenne keinen, der mich abholen könnte, außer meinem Chef und der ist gerade auf dem Weg nach Bremen. Schöner Mist.
Weitere Kostenlose Bücher