Es duftet nach Liebe (German Edition)
der Nummer gemacht habe. Zur Not schob er einfach ein neues Handy und eine noch ungewohnte Nummer vor. Das mit der Adresse wäre ja gar nicht mal so ein Drama, schließlich würde Henning ihn ja nicht schon morgen besuchen wollen.
Die anderen von Hennings Truppe verstreuten sich bereits, einige winkten ihnen noch. Nur Henning druckste sich an der Stelle herum, an der sie sich zuvor verabschiedet hatten, und sah zu ihm herüber. Jans Herz verkrampfte sich. Er dachte an die vergangene Nacht, an die Berührungen, die Küsse, diese überraschende Vertrautheit.
Als Pete den Motor anließ, und sich ein letztes Mal erkundigte, ob alle startklar waren, verkrampften sich Jans Hände um die Riemen seines Rucksacks, den er zuvor in den Fußraum gequetscht hatte.
Geh zu ihm, geh zu ihm und kläre das. Gib euch doch zumindest diese Chance, drängte ihn sein liebeskrankes Herz.
Schlussendlich siegte seine Vernunft und er schwieg. Nur sein Blick hing weiterhin an Henning, als der Wagen losfuhr. Sich umzudrehen, um ihn durch die Rückscheibe zu beobachten, verbot er sich allerdings. Hinterher tat er vielleicht doch noch etwas Schwachsinniges, wie zum Beispiel Pete anzuschreien, umzukehren.
Doch so starrte er nur stumm auf die Kopfstütze seines Vordermannes. Beachtete die anderen gar nicht, sondern fragte sich die ganze Fahrt über, ob er sich richtig entschieden hatte. Denn je mehr Kilometer zwischen ihnen lagen, umso mehr bezweifelte er dies.
***
„Meine Güte, was bist du denn so schlecht drauf?“, wunderte sich Tilda und musterte Jan, der neben ihr die Einkaufstüten schleppte. Sie selbst schleckte lediglich an einem Eis und trug eine kleine Tüte einer Drogeriekette. So hatte sie auch beide Hände voll und konnte ihm natürlich keine der drei schweren Beutel abnehmen. Typisch.
„Bin ich doch gar nicht“, widersprach Jan mürrisch und verzog über sich selbst das Gesicht. Sie hatte recht, gestand er sich ein. Er war schlecht drauf, und zwar nicht nur, weil seine Schwester die Diva gab – ihre Paraderolle nebenbei bemerkt –, sondern weil er in den letzten Tagen einfach Dauer-schlecht-gelaunt war. Ihm ging alles auf die Nerven. Das Wetter, das TV-Programm, seine Mitmenschen, er selbst. Und warum? Weil er Liebeskummer hatte. Ganz grauenvollen, gemeinen, herzzerreißenden Liebeskummer und das wegen eines Mannes, den er im Grunde gar nicht kannte.
Aber genau genommen hatte er schon Liebeskummer wegen Kerlen gehabt, die er weit weniger intensiv kannte. Wie beispielsweise Tilo Neuhaus aus seiner Parallelklasse, den er lediglich auf den Schulfluren und im Duschraum nach dem gemeinsamen Sportunterricht angehimmelt hatte. Allerdings war er da sechzehn gewesen und von Hormonschwankungen geplagt. Nur war ihm selbst der Herzschmerz nicht so schlimm erschienen wie dieser jetzt. Zumindest rückblickend.
Er vermisste Henning. Er vermisste ihn so schrecklich, dass es wehtat und weil er so ein verfluchter Idiot war, hatte er keine Chance ihn wiederzusehen. Selbst Schuld, sagte er sich, nur hob diese Erkenntnis seine Laune nicht unbedingt, sondern versetzte ihr eher noch einen Dämpfer.
Normalerweise bequatschte er derlei Herzschmerzangelegenheiten mit Tilda. Manchmal hatte diese nämlich tatsächlich gute Ratschläge parat. Kam selten vor, aber bekanntlich fand jedes blinde Huhn mal ein Korn. Andernfalls tat es einfach nur gut, sich den ganzen Mist von der Seele zu reden, doch von Henning hatte er ihr kein Sterbenswörtchen erzählt. Natürlich wusste sie trotzdem, dass bei seinem Nordseetrip irgendetwas passiert war. Das war anhand seiner Trauermiene auch schwer zu verkennen. Nur rätselte sie, was genau geschehen war. Natürlich hatte sie versucht ihn auszuquetschen, doch er wehrte sie eisern ab. Diese Ungewissheit musste sie verrückt machen, das wusste Jan. Aber Henning – Henning gehörte ihm allein. Er wollte selbst seine Erinnerungen an ihn mit niemandem teilen und zugegeben, sich auch nicht anhören wollen, was für ein Vollidiot er war. Darauf konnte er im Moment verzichten. Das sagte er sich nämlich selbst bereits minütlich.
Doch dass seine Laune in diesem Moment besonders im Keller war, lag genau genommen am zurückliegenden Einkauf. Heute Morgen war er nämlich relativ, zumindest für seine momentanen Verhältnisse, gut drauf gewesen und hatte zur Abwechslung nicht an Henning gedacht. Das war vorbei gewesen, als Tilda von ihrer üblichen Route abgewichen war, um sich ihr Eis zu kaufen. Es musste
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