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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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oder er hat sie selbst mitgebracht. Dann hätte er allerdings gemogelt.«
    »Er ist kein Idiot«, sagte Adamsberg. »Sein Hochmut ist angestachelt. Also fängt er das Gespräch an.«
    »Das Gespräch?«
    »Er nimmt mit uns Verbindung auf, wenn Ihnen das lieber ist. Er hat nach dem Mord fünf Tage durchgehalten, das ist länger, als ich glaubte. Er hat seine Wege geändert und sorgt dafür, daß er nicht greifbar ist. Aber jetzt fängt er an zu reden, zu sagen: ›Ich weiß, daß es einen Mord gegeben hat, ich fürchte nichts, und hier liefere ich den Beweis.« Und so weiter. Es gibt keinen Grund, daß er jetzt aufhören würde zu reden. Er ist auf der schiefen Bahn. Auf der redseligen. Auf der Bahn, auf der er aufgehört hat, sich selbst zu genügen.«
    »An diesem Kreis ist etwas Ungewöhnliches«, bemerkte Danglard. »Er ist nicht so gezeichnet wie die vorherigen. Und doch ist es dieselbe Schrift, gar kein Zweifel. Aber er ist anders vorgegangen, nicht, Conti?«
    Conti nickte.
    »Vorher«, fuhr Danglard fort, »zeichnete er den Kreis in einem Zug, als ob er im Kreis laufen und gleichzeitig zeichnen würde, ohne anzuhalten. Diese Nacht hat er zwei Halbkreise gezeichnet, die ineinander übergehen, als ob er zunächst eine Seite und dann die andere gezeichnet hätte. Er wird aber doch in fünf Tagen nicht aus der Übung gekommen sein?«
    »Stimmt«, sagte Adamsberg lächelnd. »Eine Nachlässigkeit von ihm. Vercors-Laury fände sie sehr interessant, und er hätte recht.«
     
    Am nächsten Morgen rief Adamsberg gleich nach dem Aufstehen im Büro an. Der Mann hatte im 5. Arrondissement gezeichnet, in der Rue Saint-Jacques, also einen Katzensprung von der Rue Pierreet-Marie-Curie entfernt, in der Madeleine Châtelain ermordet worden war.
    Fortsetzung des Gesprächs, dachte Adamsberg. Etwa so: ›Nichts wird mich daran hindern, einen Kreis in der Nähe des Mords zu zeichnen.‹ Und wenn er seinen Kreis nicht direkt in der Rue Pierreet-Marie-Curie gezeichnet hatte, so war das allein eine Sache des Takts, ein Zeichen von gutem Geschmack. Der Mann war kultiviert.
    »Was liegt in dem Kreis?« fragte Adamsberg ins Telefon.
    »Bandsalat von einem Tonband.«
    Während er Margellons Bericht anhörte, überflog Adamsberg die Post. Er hatte einen Brief von Christiane vor sich, leidenschaftlicher Wortlaut und säkularer Inhalt. Verlasse Dich. Egoist. Nie mehr wiedersehen. Stolz. Und so weiter, über sechs Seiten lang.
    Gut, gut, das werden wir heute abend alles noch sehen, sagte er sich, überzeugt davon, ein Egoist zu sein, aber mit der Erfahrung, daß die Leute, die einen wirklich verlassen, sich nie die Mühe machen, einen mit einem sechsseitigen Brief zu warnen. Sie verschwinden, ohne etwas zu sagen, so hatte es der kleine Liebling gemacht. Die aber, die herumlaufen und den Kolben einer Pistole aus ihrer Tasche ragen lassen, bringen sich nie um, so oder so ähnlich hatte ein Dichter gesagt, dessen Namen er nicht mehr wußte. Also würde Christiane mit zahlreichen Forderungen wiederkommen. Das bedeutete absehbare Komplikationen. Unter der Dusche beschloß Adamsberg, nicht allzu gemein zu sein und am Abend daran zu denken - falls er daran denken sollte, daran zu denken.
    Er verabredete sich mit Danglard und Conti in der Rue Saint-Jacques. Der Bandsalat lag wie Gedärm in der Morgensonne inmitten des großen Kreises, der diesmal in einem Zug gezeichnet worden war. Danglard stand riesig und müde da, sein ziemlich blondes Haar nach hinten geworfen, und blickte ihm entgegen. Warum auch immer, vielleicht wegen seines müden Aussehens oder weil er wie ein besiegter Denker wirkte, der nicht aufhört, sich Fragen über das Geschick zu stellen, oder wegen seiner Art, diesen großen, unzufriedenen und resignierten Körper auseinander- und wieder zusammenzufalten - Danglard rührte ihn an diesem Morgen an. Adamsberg hatte Lust, ihm erneut zu sagen, daß er ihn wirklich mochte. In bestimmten Augenblicken bewies Adamsberg ein seltenes Geschick darin, kurze und sentimentale Erklärungen abzugeben, die die anderen in ihrer unter Erwachsenen ungehörigen Direktheit in Verlegenheit brachten. Es kam nicht selten vor, daß er jemandem sagte, er sei schön, selbst wenn es nicht stimmte und auch ganz unabhängig von der Phase der Gleichgültigkeit, die er gerade durchmachte.
    Einstweilen stand Danglard in seinem tadellosen Jackett und in Gedanken mit irgendwelchen geheimen Sorgen beschäftigt an ein Auto gelehnt. Mit den Fingerspitzen klimperte er

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