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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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altem Holz, Gerüche nach Farbe, Gerüche nach Pfeife, nach Büchern, sogar nach Kreide, aber nichts Säuerliches, nichts Vergorenes. Ich bin enttäuscht.«
    »Was soll ich dazu sagen?« fragte Le Nermord ein wenig verdutzt. »Was genau ist Ihre Frage?«
    »Wie erklären Sie sich das?«
    »Ich weiß es nicht! Mir ist der Geruch nie aufgefallen. Es ist sogar ziemlich peinlich, das zu erfahren.«
    »Ich habe vielleicht eine Erklärung. Daß der Geruch nämlich von woandersher stammt, von einem Schrank, der sich nicht bei Ihnen befindet und in dem Sie Ihre Kleidung als Mann mit den Kreisen gelagert haben.«
    »Meine Kleidung als Mann mit den Kreisen? Aber ich hatte doch keinen besonderen Anzug dafür! Ich habe die Lächerlichkeit nicht so weit getrieben, daß ich mir ein Kostüm für den Anlaß geschaffen hätte. Nein, Kommissar. Übrigens müßten Ihre Zeugen Ihnen auch gesagt haben, daß ich gewöhnliche Kleidung trug, so wie heute. Ich trage immer ungefähr dasselbe: eine Flanellhose, ein weißes Hemd, ein Jackett mit Fischgrätmuster und einen Regenmantel. Ich ziehe fast nie etwas anderes an. Aus welchem Grund hätte ich in einem Jackett mit Fischgrätmuster das Haus verlassen und mich ›woanders‹ hinbegeben sollen, um ein anderes Jackett mit Fischgrätmuster anzuziehen, das außerdem auch noch schlecht riecht?«
    »Genau das frage ich mich.«
    Le Nermord zeigte erneut einen erbarmungswürdigen Gesichtsausdruck, und Danglard war Adamsberg wieder böse. Der Kommissar würde eigentlich einen guten Folterknecht abgeben.
    »Ich würde Ihnen ja gerne helfen«, sagte Le Nermord fast zitternd, »aber da fragen Sie mich zuviel. Ich bin unfähig, diese Geschichte mit dem Geruch zu verstehen, und ich begreife auch nicht, warum das so interessant sein sollte.«
    »Kann sein, daß es nicht interessant ist.«
    »Es ist natürlich möglich, daß ich in der Hitze des Gefechts eine Art ›Angstgeruch‹ abgegeben habe - denn die Kreise haben mich ganz schön in Aufregung versetzt. Das ist natürlich möglich. Anscheinend gibt es so was. Wenn ich danach in der Metro saß, war ich schweißgebadet.«
    »Das ist nicht schlimm«, sagte Adamsberg und kritzelte direkt auf den Tisch, »vergessen Sie es. Es kommt vor, daß ich fixe und skurrile Ideen habe. Ich lasse Sie jetzt gehen, Monsieur Le Nermord. Ich hoffe, daß Sie bei sich auf dem Land Frieden finden. Manchmal findet man ihn.«
    Frieden finden auf dem Land! Danglard schnaubte gereizt. Ihn nervte heute morgen sowieso alles am Kommissar, seine sinnlosen Winkelzüge, seine unnützen Verhöre und schließlich seine Banalitäten. Schon jetzt hatte er das Bedürfnis nach einem Schluck Weißwein. Zu früh. Viel zu früh, halt dich zurück, verdammt.
    Le Nermord lächelte ihnen tragisch zu, und Danglard versuchte ihn zu trösten, indem er ihm kräftig die Hand schüttelte. Aber die Hand von Le Nermord blieb weich und kraftlos. Er ist verloren, dachte Danglard.
    Adamsberg stand auf, um Le Nermord zuzusehen, wie er sich mit seiner schwarzen Tasche, den Rücken gebeugt und magerer als je zuvor, im Gang entfernte.
    »Armer Kerl«, sagte Danglard. »Der ist hinüber.«
    »Mir wäre lieber gewesen, er hätte Zucker«, sagte Adamsberg.
     
    ***
     
    Adamsberg verbrachte den Rest des Vormittags damit, Ideologie und Gesellschaft unter Justinian zu lesen. Danglard, der von seinen Gefechten mit dem Mann mit den Kreisen fast ebenso erschöpft war wie sein Opfer, hätte es lieber gehabt, wenn Adamsberg endlich aufgehört hätte, daran zu denken, und die Ermittlung auf andere Weise angegangen wäre. Er hatte genug von Augustin-Louis Le Nermord und um nichts in der Welt hätte er jetzt noch eine Zeile von ihm lesen können. Er hätte bei jedem Wort das Gefühl gehabt, daß die unklaren Züge und der starre, schmutzigblaue Blick des Byzantinisten sich ihm zuwendeten und ihm seine Hartnäckigkeit vorwerfen würden.
    Gegen ein Uhr ging Danglard erneut zu ihm. Adamsberg las noch immer. Er erinnerte sich, daß der Kommissar erklärt hatte, er lese jedes einzelne Wort, eines nach dem anderen. Adamsberg hob nicht den Kopf, hörte Danglard aber eintreten.
    »Erinnern Sie sich an die Modezeitschrift, die sich in der Handtasche von Madame Le Nermord befand, Danglard?«
    »Die, die Sie im Wagen durchgeblättert haben? Die muß noch im Labor sein.«
    Adamsberg rief an und bat darum, ihm die Zeitschrift herunterzubringen, sobald sie mit den Analysen fertig wären.
    »Was irritiert Sie dabei?« fragte ihn

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