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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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mir das nie vorgestellt. Ich bin tief betroffen«, murmelte Le Nermord.
    Adamsberg verließ den Raum, ohne ein Wort zu sagen, und Danglard war ihm böse, daß er dem Mann nicht ein wenig mehr Menschlichkeit entgegenbrachte. Er hatte den Kommissar schon erlebt, wie er all seinen Charme entfaltete, um die Sympathie von Unbekannten und sogar von Idioten zu erlangen. Und heute hatte er dem Alten gegenüber nicht das kleinste Fitzelchen Menschlichkeit an den Tag gelegt.
     
    ***
    Am nächsten Morgen bat Adamsberg darum, Le Nermord noch einmal zu sehen. Danglard war sauer. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn man den Alten in Ruhe gelassen hätte. Und Adamsberg suchte sich die letzte Minute aus, um ihn vorzuladen, wo er sich in den Tagen zuvor kaum eingemischt hatte. Le Nermord wurde also erneut einbestellt. Schüchtern betrat er das Kommissariat, er schwankte noch ein wenig und war bleich. Danglard beobachtete ihn.
    »Er hat sich verändert«, flüsterte er Adamsberg zu.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Adamsberg.
    Le Nermord setzte sich vorsichtig halb auf den Stuhl und bat um Erlaubnis, Pfeife rauchen zu dürfen.
    »Ich habe heute nacht nachgedacht«, sagte er und kramte in seinen Taschen nach Streichhölzern. »Die ganze Nacht sogar. Und jetzt ist es mir egal, daß alle die Wahrheit über mich wissen. Ich akzeptiere die erbärmliche Gestalt des Mannes mit den Kreisen, wie mich die Presse nennt, so wie sie ist. Zu Beginn, als ich angefangen habe, bildete ich mir ein, damit über große Macht zu verfügen. In Wirklichkeit, nehme ich an, war ich selbstgefällig und grotesk. Und dann hat sich alles zum Schlimmen gewendet. Es gab die beiden Morde. Und meine Delphie. Warum soll ich darauf hoffen, das alles verheimlichen zu können? Wozu versuchen, mir eine Zukunft zurechtzubiegen, die ich so oder so vermurkst, verpfuscht habe, indem ich das Ganze den anderen gegenüber verschleiere? Nein. Ich war der Mann mit den Kreisen. Pech für mich. Wegen all dem, wegen all meiner ›Frustrationen‹, wie Vercors-Laury gesagt hat, hat es drei Tote gegeben. Und Delphie.«
    Er legte sich die Hände vors Gesicht, und Danglard und Adamsberg warteten schweigend, ohne sich anzusehen. Dann rieb sich der alte Le Nermord mit einem Ärmel seines Regenmantels wie ein Penner die Augen, als ob er sein ganzes Ansehen aufgeben würde, für das er Jahre gebraucht hatte.
    »Es ist also unnötig, daß ich Sie anflehe, der Presse gegenüber zu lügen«, sagte er angestrengt. »Ich habe den Eindruck, daß es besser ist, wenn ich versuche hinzunehmen, was ich bin und was ich getan habe, besser, als diese verdammte Professoren-Aktentasche zu schwenken, um mich zu schützen. Aber da ich trotz allem feige bin, ist es mir jetzt, wo alles bekannt werden wird, lieber, Paris zu verlassen. Verstehen Sie, ich begegne zu vielen bekannten Gesichtern auf der Straße. Wenn Sie erlauben, würde ich mich gerne bei mir auf dem Land verstecken. Mir graut davor. Ich hatte das Haus für Delphie gekauft. Es wird mir als Zuflucht dienen.«
    Le Nermord wartete auf ihre Antwort, während er sich mit besorgtem und unglücklichem Ausdruck mit dem Pfeifenkopf über die Wange fuhr.
    »Sie haben absolut das Recht dazu«, sagte Adamsberg. »Lassen Sie mir Ihre Adresse hier, das ist alles, was ich von Ihnen verlange.«
    »Danke. Ich denke, daß ich in vierzehn Tagen dort hinziehen werde. Ich werde alles aufgeben. Byzanz ist vorbei.«
    Adamsberg ließ erneut eine kurze Zeit verstreichen, bevor er fragte:
    »Sie sind nicht zufällig zuckerkrank?«
    »Das ist eine komische Frage, Kommissar. Nein, ich bin nicht zuckerkrank. Ist das... wichtig für Sie?«
    »Ziemlich. Ich werde Ihnen ein letztes Mal auf die Nerven fallen, aber nur wegen einer Lappalie. Aber diese Lappalie sucht vergeblich nach einer Erklärung, und ich hoffe, daß Sie mir helfen. Alle Zeugen, die Sie gesehen haben, haben von einem Geruch gesprochen, der Ihnen nachhing. Ein Geruch nach faulen Äpfeln für die einen, nach Essig oder nach Likör für die anderen. Ich habe zunächst gedacht, Sie seien zuckerkrank, was, wie Sie vielleicht wissen, zu einem leichten Gärungsgeruch führt. Aber das ist bei Ihnen nicht der Fall. Für mich riechen Sie nur nach hellem Tabak. Daher habe ich gedacht, daß Ihr Geruch sicher von Ihrer Kleidung kommt oder aus einem Kleiderschrank. Ich habe mir gestern erlaubt, in all Ihren Kleiderkammern, Schränken, Truhen, Kommoden und an allen Kleidungsstücken zu schnuppern. Nichts. Gerüche nach

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