Es geht uns gut: Roman
Johanna zu Hause entbehrlich.
Während sie beide im Wasser herumrutschen, halb liegend, halb sitzend, reden sie über das, was sich in letzter Zeit bei Johanna angehäuft hat, über Franz, der in einer künstlerischen Krise stecke, so Johanna. Sie führt Einzelheiten an: Daß Franz den ganzen Tag über nichts anderes als über sein Ringen mit Ideen rede, ohne je zu arbeiten. Er lasse sich stundenlang über das Körperliche und das Intuitive aus und darüber, daß er seinen absoluten Anspruch in die Welt hineinzwingen wolle. Er wisse, daß er mit diesem Anliegen scheitern werde, aber nur, weil er längst von Menschen ohne Format und Sinn heruntergewirtschaftet sei. Damit meine er selbstverständlich sie, Johanna, sagt Johanna. Sie lacht. Gestern abend sei Franz in der Wohnung auf- und abgelaufen und habe andauernd gerufen, die Welt ist voller Beep! Beep! Beep! Er habe an seinen Skulpturen gerüttelt, sich hinter ihnen versteckt und wieder gerufen: Beep! Beep! Beeper! In seiner brüsken Art. Nach etlichen weiteren Beep! Beep! Beep! habe er die Wohnung ohne Erklärung in Richtung des neuen Ateliers verlassen. Das neue Atelier, mit dem die Probleme gleich weitergehen. Franz will partout keinen Schlüssel für das Atelier hergeben, nicht einmal für Johanna, seine ihm amtlich angetraute Frau.
– Er argumentiert, sagt Johanna, meine Forderung sei ein Versuch, Macht über ihn zu erlangen, weil ich mir die Möglichkeit schaffen will, ihn kontrollieren zu können. Und falls ich behaupten wolle, daß ich den Schlüssel nicht fürs eigene Ego oder zur Besitznahme brauche, dann frage er sich, wofür ich den Schlüssel überhaupt benötige. Wenn ich ohnehin jedem Kommen eine Warnung voranschicken wolle, sei das alles nur ein bürgerlicher Popanz, den er nicht einsehe.
Philipp meint:
– Eine gute Argumentation, auf die sich nicht viel sagen läßt.
– Mag sein. Trotzdem ist es eine Frechheit. Immerhin bin ich mit ihm verheiratet.
– Wem sagst du das.
Obwohl Philipp das Gedankenspiel rund um Johannas Ehe zunehmend als unnötige Strapaze empfindet und als Falle, in die er irgendwann einmal getappt ist, denkt er, daß es vielleicht ganz normal ist: Wenn man ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau und Mutter hat, muß man sich auch regelmäßig mit den psychologischen Hintergründen des Verhältnisses dieser Frau zu ihrem Mann und umgekehrt beschäftigen. Bei der Gelegenheit fällt ihm auch wieder ein, daß er sich schon seit längerem wundert, wie selbstverständlich er sich vor einigen Jahren damit abgefunden hat, Nummer zwei zu sein, wie anstandslos er sich seit Johannas Heirat mit der stundenweisen Liebe begnügt und wie restlos er es für erwiesen hält, daß Johanna ihn mehr liebt als Franz, solange sie mit Franz nicht fünfzehn Kinder in die Welt setzt, sondern es bei dem einen Ungewollten beläßt.
Johanna weiter:
– Der Atelierschlüssel ist zu einem Statussymbol geworden. Aber ich habe gestern zu Franz gesagt, daß ich auf die Aushändigung um des lieben Friedens willen scheiße. Jetzt kann er sich was drauf einbilden, daß er seine künstlerische Intimsphäre samt Schaffenskrise erfolgreich verteidigt hat.
Und nach einer Pause:
– Von mir aus kann er zum Teufel gehen, so schnell wie möglich und je eher, desto besser.
Aber diese Ankündigungen und Glücklichmacher haben für Philipp nach der langen Behandlungszeit keine nennenswerte Wirkung mehr.
– Ich bin gespannt, sagt er.
– Du wirst schon sehen, beteuert Johanna: Bei Franz und mir läßt sich nichts mehr beschönigen.
– Wie gesagt, ich bin gespannt.
– Wart’s nur ab.
– Ich warte es ab, ganz bestimmt. Wer lange genug wartet, kann König werden.
– Wetten!
– Erbsenkönig.
(Wir könnten zusammenziehen, Johanna würde mich niemals betrügen oder nur sehr selten. Wir könnten rasch ein Kind machen oder zwei und –. Nein, das wird nicht passieren.)
– Na los, wetten, fordert Johanna.
– Ein Bier in Texas, ein Besuch beim Schlamm-Catchen und das Sex-ohne-Kondom-Privileg fortan für mich.
– Kannst du haben.
– Im Jahre Nimmerlein.
Sie zieht die Augenbrauen spöttisch hoch.
– Weil ich die Wette gewinne.
Sie schlägt mit den Händen auf die Wasseroberfläche und verspritzt das Badewasser hemmungslos in Philipps Gesicht und bis zur Tür. Dann läßt sie nochmals heißes Wasser nachrinnen. Der Badeschaum ist größtenteils in sich zusammengefallen, die wenigen Reste bilden Ringe um die aus dem Wasser
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