Es geht uns gut: Roman
ragenden Körperteile. Die Ringe steigen hoch, bis sie genau unter Johannas Brüsten stehen. Philipp fällt auf, daß Johannas Brustwarzen aufgerichtet sind, herausfordernd fröhlich, was nicht zu Johannas allgemeiner Stimmung passen will, nur zu der Wärme und Feuchtigkeit im Raum, zum ruhigen, schwadengesättigten Licht aus der nackt in einer Weißblechfassung hängenden Glühbirne.
Philipp sagt:
– Ich bin ja auch nicht gerade die Unkompliziertheit in Person, aber einen Schlüssel zum Haus kannst du gerne haben. Es gibt ein halbes Dutzend Kopien.
– Ich bitte darum.
Er sieht zwischen ihre Beine, eigentlich im Bedürfnis, in dem vom Badesalz schlierigen und bläulich eingefärbten Wasser ihr Geschlecht zu bewundern. Aber da hängen kleine Luftperlen in ihren drahtigen Schamhaaren, was ihn dermaßen erstaunt, daß er auf andere Gedanken kommt. Mit langsam wieder abflauendem Herzklopfen inspiziert er, wie das bei ihm selbst ist, ob sich in seinen nicht so drahtigen Schamhaaren ebenfalls kleine Luftperlen gehalten haben. Aber da hängen keine, und er würde gerne dahinterkommen warum, warum all diese Unterschiede.
Johanna hat mittlerweile den Faden wiederaufgenommen:
– Franz geht mir dermaßen auf die Nerven, du glaubst es nicht. Er und er und er und er. Er er er. Immer nur er. Ich halte das nicht mehr aus. Er und seine Skulpturen, er und sein Atelier, er und seine Stadt, er und sein Auto, er und sein Schwarzes Kamel. Seine Fotografien, seine Schuhe, seine Hosen, Hoden, sein Kopf und seine schlechte Laune. Er geht mir wahnsinnig auf die Nerven mit sich selbst.
– Ich weiß, ich weiß, sagt Philipp, um zu signalisieren, daß er auf der Höhe dessen ist, was Johanna zu berichten hat.
Und später sagt er zu demselben Zweck:
– Ich staune, ich staune.
Kurz darauf stehen sie auf und duschen sich ab. Noch während das Wasser glucksend abläuft, wechseln sie vom Badezimmer nach unten ins Nähzimmer, das neben dem Badezimmer der einzige Raum ist, den Philipp weitgehend ausgeräumt hat. Mit den wenigen Möbeln ist der irgendwie traurige Geruch nach Politur, gewachstem Schrankpapier und alten Menschen verschwunden. Vom oberen Stockwerk hat Philipp eine Federkernmatratze heruntergeschafft, sie frisch bezogen und unter das Fenster gelegt. Zu dieser Matratze zieht Philipp Johanna hin. Er ist nervös, aber nicht wegen der Großeltern, die als erkaltetes Abbild eines Brautpaares von der Wand aus zusehen, sondern im Wissen, daß er mit Johanna schlafen und es das einzige Mal an diesem Wochenende sein wird, bei dem Johanna sich in der Überzeugung bewegt, die Trennung von Franz sei beschlossene Sache. Das überhaupt nicht mehr Wollen kommt Philipp an, wenn er nur daran denkt. Er ist sich sicher, daß Johannas Trennungsphantasie eine Revolution der letzten Apriltage ist, ein anarchistisches Interregnum, das den Mai nicht erleben wird. Wie ein kurzer Blickkontakt mit all seinen Lügen kommt es ihm vor, wie Sterblichkeit. Trotzdem greift seine linke Hand von hinten zwischen Johannas sich bereitwillig öffnende Beine, mit dem Mittelfinger voran, einfach deshalb, weil er die kurze Verschnaufpause, die ihm Johannas Streit mit Franz gewährt, nicht verstreichen lassen will, ohne sexuelles Kapital daraus zu schlagen. Er spürt die Berührung ihrer Zunge an seinem rechten Oberarm, ein rastloser, trauriger Genuß.
– Hörst du? sagt sie.
Und dann, bevor ihre Zunge zu seinem Hals wandert:
– Windstärke vier erkennt man in der Skala nach Lamont daran, daß die Kamine sausen.
Wahrhaftig, die Kamine sausen.
Mitten in der Nacht wacht Philipp auf, weil Johannas Handy klingelt. Ihrer Begrüßung ist zu entnehmen, daß Franz am anderen Ende der Leitung ist. Sie sagt, sie sei bei einer Freundin und habe gerade gekotzt, und Durchfall habe sie auch und sie sei sicher, daß es in spätestens zwei Minuten weitergehen werde. Wenn er etwas mitzuteilen habe, solle er es tun, sich aber kurz fassen, weil sie nicht gleichzeitig telefonieren und am Klo sitzen wolle. Sekunden später drückt sie unter Murmeln auf den roten Knopf, dann schaltet sie das Handy aus und widmet sich wieder einem der Notizbücher von Philipp, in dessen Lektüre sie gestört wurde.
Philipp erscheint die Situation wie ein seltsam transparenter Traum. Er schmiegt sich eng an Johannas nackte Hüfte. In dieser Stellung würde er gerne weiterschlafen und sehen, ob der Traum eine Fortsetzung findet. Gleichzeitig hört er Johanna sagen, in ihrer Stimme nach wie vor
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