Es geht uns gut: Roman
sagt mit bitterem Lachen:
– Soso. Hausverbot. Nur weil ich –. Zum Teufel, ich reg mich nicht auf. So leicht paßt ihm ja doch keiner.
– Läßt er es eben.
Dann zum zehnten Mal, was Richard gegen Peter hat, der ganze Parcours: Daß er ein Windbeutel ist, in Richards Augen, damit fängt es an, und daß Peter diesen Ruf mit der heimlichen Verlobung vollends gefestigt hat (man kann es Papa nicht gänzlich verdenken, denn es ist das genaue Gegenteil von dem, worum er uns gebeten hat). Daß Peter sechs Jahre älter ist als Ingrid, daß er nichts ist und nichts hat und daß man ihm nicht beigebracht hat, wie man etwas darstellt. Weiters: Daß sich Peters Vater zweimal vor einem Volksgerichtshof zu verantworten hatte und daß er nach mehreren Monaten Ziegelschupfen zur Zwangsarbeit war für anderthalb Jahre in St. Martin am Grimming zur Verbesserung der Gesinnung, was nicht viel gebracht hat. Wie Richard behauptet. Was der alles weiß. In so was heiratet man besser nicht rein .
– Und mich, seine Tochter, hält er für naiv wie aus dem Krähwinkel, simple Dummheit will er als Antriebsmotor aber auch nicht ausschließen.
– Alles was recht ist. Da. Da könnte einem –.
Ingrid sitzt nach wie vor auf der Munitionskiste, mit dem Tisch im Rücken. Peter geht in der Werkstatt auf und ab, dort, wo Platz ist. Er schüttelt beharrlich den Kopf und verpackt die Flüche, die er gerne loswerden würde, die aber nicht erwünscht sind, in die leise Kritik, daß man von einem Minister sollte mehr erwarten dürfen.
– Die ganze Regierung ist ein Trauerfall, sagt er: Aber gut, wohin Politik führt, habe ich schon vor zehn Jahren begriffen.
– Peter, wenn der Koreakrieg nicht gewesen wäre, hätte ich nicht mit dir geschlafen. Nicht gleich.
– Schön für uns, schlecht für Korea. Dein Vater sieht es vermutlich genau umgekehrt.
Peter schneidet eine Grimasse:
– Was sagt eigentlich deine Mutter?
– Mama? Die übt sich in Neutralität. Ich muß ihr halt immer versprechen, brav zu sein.
– Hoffentlich ein wunder Punkt auch an diesem Treffen.
– Schatz, es wird nichts zugegeben. Heute beim Weggehen hat sie gesagt: Daß mir keine Klagen kommen. Und ich habe ihr versprochen, daß von mir keine Klagen kommen werden, da könne sie sicher sein.
Ingrid steht auf, umarmt Peter und küßt ihn mit der Zunge. Sie fährt mit den Händen in die Gesäßtaschen von Peters Jeans. In dem Moment wird die Umarmung unterbrochen von einem unbeholfenen Hüsteln. Auch egal. Nach Küssen war Ingrid sowieso nicht wirklich, ihr war nur, als müßte es grad sein.
Es ist einer von Peters ehrenamtlichen Gehilfen, der sich da bemerkbar macht, ein etwa sechsjähriges Bürschlein, blondschopfig, schieläugig, mit einem zugeklebten Auge: vier überkreuz gezogene hautfarbene Pflaster, rechts. Der Bub trägt seine kurzen Hosen über einer wollenen Strumpfhose. Obwohl beide Tore offenstehen, traut er sich mit seinem Tretroller nicht herein.
– Na, wie läuft’s? fragt Peter.
– Geht so.
– Paß auf, ich hab was für dich.
Peter sucht nach seiner Jacke, die er bei den Sachen findet, die Ingrid vom Tisch geräumt hat. Seine Hände tauchen in die Taschen, außen, innen, Schlüssel klirren, Papier raschelt. Er geht zum Tor. Dort überreicht er dem Buben ein Abziehbild der Großglockner-Hochalpenstraße. Für das hintere Schutzblech des Tretrollers, wie Peter sagt. Der Knirps kann sich vor Begeisterung kaum halten, er bedankt sich mehrfach mit kleinen Verbeugungen, es ist, als hätte er für seinen Roller eine Nummerntafel erhalten.
– Da wird Papa schauen.
Der Bub will das Abziehbild gleich aufkleben. Doch als auch Ingrid zum Tor tritt, weil es sie nach draußen zieht, fährt er davon. Er ruft, bereits auf der Straße (dem Schotterweg), das Schubbein geknickt in der Luft, als friere das Rufen den Ablauf der Bewegung ein: daß seine Mutter auf ihn warte. Die Stimme verklingt, das Bein schiebt wieder an, rutschend im Schotter mit dem flachen Schuh.
Obwohl es leicht tröpfelt, bleibt Ingrid draußen. Sie schaut dem Buben hinterher, bis dieser beim Gasthaus verschwunden ist. Ihr Blick schweift im Bogen zurück über die mit Blumen überkrustete Wiese jenseits des Baches, zu einem Pappelstand, vor dem eine Kleinhäuslersiedlung gebaut wird, in gestaffelten Baustadien. Eine Mischmaschine schnarrt seit einiger Zeit in die friedliche Stille herüber. Zwei Schwalben fliegen. Stimmt, ist in der Zeitung gestanden, daß sie eingetroffen
Weitere Kostenlose Bücher