Es geht uns gut: Roman
in für das Büro bestimmter Kleidung, Hose und frischem Hemd.
– Oh, nein, nein, wiegelt Ingrid ab mit schräg aufwärts in Peters Blick hineingewandtem Kopfschütteln.
– Ich habe Arschloch verstanden.
Ingrid setzt sich mit langsamen Bewegungen auf, zieht die Knie vor die Brust und schlingt die Arme um die Beine, ihre Vorstellung von Bequemlichkeit. Sie deutet mit dem Kopf Richtung Fernseher. Sie nimmt einen prüfenden Schluck vom Kaffee, der noch lauwarm ist. Ihr Blick wirkt, als falle sie in Zeitlupe aus allen Wolken.
– In zehn Minuten wird sich der Herr Hofrat darauf hinausreden, daß ihn das Amt rufe und daß er nur deshalb keine Zeit für seine Familie habe, weil er sich für die Gemeinschaft zersprageln muß. Das übliche Freilos. Ich wunder mich, daß mir dieser beinharte Realismus bisher nie aufgefallen ist. Ich habe immer gedacht, ich hätte in einem süßlichen Heimatfilm mitgewirkt. So kann man sich täuschen.
Peter blickt eine Weile auf den Bildschirm.
– Das muß ich in der Zeitung übersehen haben, daß der wieder einmal gesendet wird.
Dann kneift er Ingrid sacht in den Nacken, seine übliche Art. Er hat ein Pflaster um den Daumen, das scheuert. Weil Ingrid nicht reagiert, erkundigt sich Peter, ob sie etwa immer noch böse sei.
Sie ist erstaunt, daß er das Gespräch von vor zwei Tagen nicht längst verdrängt hat, das wertet sie als sicheres Zeichen, daß ihm das Gewissen zusetzt. Deshalb hakt sie nach – sie versucht (natürlich versucht sie es) zu erklären, mit zunächst leiser, die Silben verschleppender, allmählich sich erregender Stimme, warum die Diskussion nicht einfach erledigt sein könne, nur weil zwei Tage vergangen sind und der Jahreswechsel bevorsteht, davon werde nichts besser. Sie argumentiert, so eine profane Versöhnung, obwohl keine Änderung eingetreten ist, halte nicht lange, wäre überdies unehrlich. Er solle sich endlich mit den Tatsachen auseinandersetzen und sie (Ingrid) mit seinen Ausflüchten und ewiggleichen Antworten in Ruhe lassen. Für alles sei sie der Trottel, und falls er sie in dieser Ansicht korrigieren wolle, soll er zuerst in den Windfang schauen und dann in die Abwasch, in der sich das Geschirr von gestern und vom Frühstück türmt. Es gebe ja immer den Trottel Ingrid, der hinter allen herräumt. Ob er, wie die Dinge stehen, allen Ernstes meine, daß sie da nicht mehr böse sein soll.
– Na, eigentlich schon.
Er sagt es irgendwie recht lieb und würde es besser so stehenlassen. Aber er fährt fort, er finde ihr Verhalten genauso eigenartig, und er denke nicht daran, diesen Zustand auf Dauer mitzumachen. Ihre Berufstätigkeit beeinträchtige das Familienleben auf eine Art, da könne er nicht einfach zusehen.
Sie funkelt ihn mit einem schnellen Blick an, eine Sekunde später sind ihre Augen wieder geschlossen. Sie sagt, und erst am Ende des Satzes gehen ihre Augen wieder auf, aber Richtung Fernseher:
– Wozu hätte ich dann so lange studiert, wenn ich die Ausbildung nicht nutzen würde. Du hast doch gewußt, daß du eine angehende Ärztin heiratest.
Keine Antwort. Sein hilfloses Dastehen ist Antwort genug. Er hat nichts zu sagen, denn er weiß genau, daß es nichts gibt, was zu seiner Rechtfertigung dienen könnte.
Ingrid reibt die kalten Hände vor den weiterhin hochgezogenen Knien. Sie heftet den Blick auf den Bildschirm. Sie sucht einen Anhaltspunkt für ihren stockenden Gedankenfluß und zitiert schließlich einen Satz, den Kanzler Kreisky unlängst verwendet hat:
– Wie die Vogelscheuchen im Gurkenfeld, zum Reden nicht fähig.
Peter beklagt sich:
– Du bist so aggressiv.
Mit träger Genugtuung gibt Ingrid zurück:
– Allerdings.
In der Tat ist sie schon wieder sauer, kaum hat sie ein paar Worte mit Peter gewechselt. Sie sagt sich, was bildet der sich überhaupt ein. Im kommenden Jahr wird sie fünfunddreißig, sie hat die ersten grauen Haare, und er meint, über sie bestimmen zu müssen. Sie hat genug Probleme damit, sich von ihrem Vater zu lösen, da braucht sie keinen Mann, der genauso dominant sein möchte und, statt ihre Bemühungen zu unterstützen oder wenigstens anzuerkennen, ihr ein Gefühl der Unzulänglichkeit vermittelt. Obwohl sie viel mehr leistet als er, erhält sie fast nie ein Kompliment, außer vielleicht, daß das Essen gut ist. Stundenlanges Kochen wird honoriert, weil es ins Bild von der vorbildlichen Gattin, Hausfrau und Mutter paßt, wie es an den Fassaden der Gemeindebauten prangt: ein
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