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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Viertelstunde vor der Zeit hatten sie sich beim Gerichtsdiener gemeldet und waren in dieses kahle Zimmer gewiesen worden, dessen einzige Möbel ein blank gescheuerter Tisch und eine Bank waren. Ein »Nicht auf den Boden spucken«-Schild in schmalem schwarzem Rahmen diente als Wandschmuck.
    Längst war der Gerichtsdiener wieder verschwunden. Immerhin hatte er eine Neuigkeit erzählt, die Waldhoff ein wenig Mut gemacht hatte. Henner Dreitek, einen der beiden Landstreicher, die am Mordtag in der Mühlenstraße gesehen worden waren, hatte die Polizei ermittelt. Es sei ein langes Verhör gewesen. Kriminalkommissar Hundt habe durch ihn auch den Namen seines Kumpans erfahren. Jan Maaris heiße er. Kommissar Hundt sei deshalb scharf hinter Jan Maaris her, weil Henner Dreitek ausgesagt habe, dass er sich am Vormittag des betreffenden Peter-und-Pauls-Tages in der »Herberge zur Heimat« draußen am Stadtrand aufgehalten habe, dass aber Jan Maaris wohl in der Stadt umhergestreift sei. Erst gegen zwei Uhr seien sie aufgebrochen. Die Wirtsfrau, die den Landstreichern Quartier gewährte, habe die Aussagen von Henner bestätigt. Aber ob man einen so gerissenen Kerl je fände?
    Waldhoff hatte vor sich auf dem Tisch die Zeitung ausgebreitet. Doch Sigi merkte, dass er nicht las. Seine Augäpfel standen still. Dann und wann schien er aus seinen Gedanken aufzuwachen. Er blätterte dann müde, versank bald darauf jedoch wieder in dumpfes Brüten. Was sollte er gleich sagen, was sollte er verschweigen?
    Ein dicker blauer Brummer surrte durch das Zimmer. Jedes Mal, wenn er in die Nähe der Fenster kam, stieß er gegen das Glas. Er wollte der Gefangenschaft entrinnen. Der Gerichtsdiener öffnete endlich die Tür und sagte: »Waldhoff, bitte.«
    Durch den langen, geweißten Flur schritt er voran. Waldhoff und Sigi folgten ihm. Die letzte Tür führte in Kakabes Zimmer. Sigi hätte den Weg allein und im Dunkeln gefunden.
    Die Tür öffnete sich. Gerd Märzenich trat heraus. Er schien zu zögern, als er Waldhoff erkannte. Er schaute sich um. Doch es gab keinen anderen Weg.
    »Guten Tag, Gerd«, grüßte Waldhoff ihn.
    »Tag auch«, murmelte Märzenich und drückte sich an den Waldhoffs vorbei.
    Na, den hat der Kommissar ganz schön fertiggemacht, dachte Sigi. Der Gerichtsdiener hielt die Tür weit auf.
    »Bitte, hier«, sagte er.
    Sigi betrat nach Vater den Raum. Akten türmten sich in Regalen bis hoch unter die Decke. Durch ein hohes, schmales Fenster fiel Licht auf den Schreibtisch. Die Sonne umspielte Kakabe. Er war in ein Schriftstück vertieft und las es ganz langsam. Seine Lippen formten lautlos Wort für Wort. Er schüttelte leicht den Kopf, tauchte die Feder ein und unterschrieb schließlich. Sorgfältig lochte er die Blätter und ordnete sie in einen Aktendeckel.
    Sigi suchte mit den Augen das Regal ab. Im dritten Fach, vom Schreibtisch aus leicht zu erreichen, klaffte in der Aktenwand ein Spalt. Er hat unsere Akte, dachte er.
    Kakabe schaute auf. Waldhoff und Sigi standen neben der Tür. Der Vater drehte den Hut in der Hand.
    »Ach, Waldhoff, guten Morgen.«
    »Guten Morgen, Herr Kommissar.«
    Wieder schienen die Gedanken des Kommissars weit weg zu fliegen. Dann aber erhob er sich, steif vom langen Sitzen, und sagte: »Waldhoff, setzen Sie sich doch, dort auf den Stuhl am Fenster.«
    Er kam auf Sigi zu, blieb so dicht vor ihm stehen, dass Sigi auf der Münze an seiner Uhrkette die Schrift lesen konnte: »Justitia, Mutter des Friedens.«
    »Du, mein Junge, du gehst jetzt nach Hause. Dich brauche ich heute nicht mehr.«
    Kakabes Hand lag leicht auf Sigis Schulter. Aber was er sagte, fiel schwer auf ihn, obwohl er es nicht recht verstand.
    »Deine Mutter wird dich sehr brauchen, weißt du.«
    Dann schob er den Jungen zur Tür hinaus.
    Sigi rannte los. Vielleicht konnte er Gerd noch einholen. Der würde ihm sagen können, was das alles zu bedeuten hatte. Aber Gerd war schnell gegangen. Er traf ihn erst am Markt. Dort stand er mit einigen anderen Männern. Einer schlug ihm auf den Rücken und sagte: »Endlich!« Sigi trat hinzu. »Gehst du nach Hause, Gerd?«
    Märzenich schaute über die Schulter hinweg auf ihn herab. Sein Gesicht spiegelte Verlegenheit. Dann besann er sich darauf, dass er nicht mit Sigi allein war, und sagte höhnisch von oben herab: »Für dich, Rotzbengel, immer noch ›Herr Märzenich‹, klar?«
    Sigi konnte sich auf diese Antwort keinen Reim machen. Doch da stieß ein Mann aus dem Kreise ihn gegen die Schulter und

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