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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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zusammen, und eine dünne Wasserschicht floss über das Eis. Wieder griffen Heins Hände nach der Kante.
    »Nicht bewegen, Hein!« Sigi näherte sich ganz allmählich. Jetzt war der Schlitten in Heins Reichweite.
    »Fass ihn! Aber vorsichtig!«
    Heins Hände krallten sich um das Holz. Das Eis bröckelte, Risse sprangen auf. Aber es barst nicht. Sigi kroch zurück. Schon lag Hein mit dem Oberkörper auf dem Eis. Jetzt zog er die Knie nach.
    Sie bewegten sich ganz behutsam. Immer weiter blieb das Loch zurück.
    Viktor und Karl halfen den beiden wieder auf die Füße. Sie zitterten. Hein schnatterte: »Das macht die Kälte.« Sigi aber wusste, dass es ganz etwas anderes war, was ihm die Gänsehaut über den Rücken jagte.
    »Los, legt Hein auf den Schlitten. Wir fahren ihn nach Hause.« Wim zog seinen Schlitten heran.
    »Nein, er muss rennen. Sonst wird er sich erkälten.«
    Karl stieß Hein in die Seite. »Los, renn! Renn zu!«
    Hein setzte sich in Bewegung. Die Kinder liefen hinter ihm her. Schließlich standen Wim, Karl und Sigi allein auf dem Eis.
    »Mensch, Sigi, wenn du nicht so schnell bei ihm gewesen wärst!«, sagte Wim.
    Sigi blickte ihn feindselig an. Er war wütend auf Wim. Ohne Wim wäre es überhaupt nicht zu dieser Wahnsinnsfahrt gekommen.
    »Geh schon nach Hause, Wim. Mit einem feigen Juden willst du doch sicher nichts zu tun haben«, sagte Sigi.
    »Nun hab dich bloß nicht so. Angst hast du wohl genug gehabt, wie?«
    »Mag schon sein.«
    Sie kehrten Wim den Rücken und zogen davon.
    »Hochnäsiges Pack«, schimpfte Wim hinter ihnen drein. Doch sie kümmerten sich nicht um ihn. Weder Karl noch Sigi dachten an die Mütze, die der Wind Sigi fortgerissen hatte. Sie fassten das Schlittenseil und liefen zur Stadt hinunter.
    »Wird es eigentlich noch einmal etwas mit unserer Turmbesteigung?«, fragte Sigi.
    »Ganz sicher. Ich habe es dir ja versprochen. Aber es muss erst wieder wärmer werden, sonst frierst du da oben in fünf Minuten zu einem Eiszapfen.«

20
    Nicht nur schlechte Nachrichten wehten wie ein Wind in die Häuser. Heins Rettung war noch am selben Abend in aller Munde. Gewiss, Mehlbaum bedauerte, dass nicht ein rechter Deutscher hinzugesprungen sei, und verdächtigte Sigi, er habe nur die Gelegenheit genützt, weil er vor vielen Augen glänzen wollte. Aber Mehlbaum blieb ziemlich allein mit seinem Hass.
    Sigi hatte zu Hause zunächst nichts erzählt. Er war am andern Tag hinaufgelaufen und hatte die Pudelmütze am Hang gesucht, aber neuer Schnee hatte Fahrspur und Mütze tief unter sich begraben. Wie so oft bei Redereien erfuhr Frau Waldhoff vermutlich zuletzt von dem, was Sigi getan hatte, und bedauerte, dass sie ihn wegen der Mütze gescholten hatte. Sie besprach mit Ruth, dass sie Sigi am Abend überraschen wollten. Beide verrieten nicht, dass das Geheimnis längst keins mehr war.
    Mutter fuhr am Nachmittag in die Kreisstadt wie jeden Mittwoch. Eine Stunde durfte sie Vater im Gefängnis besuchen. Eine einzige Stunde in der Woche. Sie zog ihren dicken Mantel an und band sich ein Tuch über ihren Hut. Über Nacht war harter Frost gekommen. Ein eisiger Nordostwind hatte ihn herbeigetrieben.
    »Ich freue mich, wenn du mich am Bahnhof abholst, Sigi. Ich graule mich im Dunkeln.«
    Sie blinzelte Ruth zu.
    Er nickte. »Nimmst du Vater dieses Briefchen mit?«, bat er, als sie sich auf den Weg machte. Sie steckte es in ihre Handtasche. »Er soll es erst lesen, wenn du fortgegangen bist«, rief er ihr nach.
    Sie ahnte, dass er dem Vater von der Rettung geschrieben hatte.
    Karl hatte versprochen zu kommen. Mittwochnachmittags war keine Schule. »Lass ihn nicht in die Werkstatt, wenn er kommt«, bat Sigi seine Schwester.
    »Was hast du für Heimlichkeiten?«
    Da nahm er sie mit und zeigte ihr eine halb fertige Figur. Deutlich konnte Ruth erkennen, dass es eine Eule werden sollte. Sie schaute ihn verwundert an. »Hast du das gemacht?«
    »Wer sonst?«, antwortete Sigi. »Ich habe es dem Schloters abgeschaut. Die Eule will ich Karl zu Weihnachten schenken. Schön?«
    Sie nickte. Mit einem kleinen Meißel stieß er vorsichtig den Stein und hob winzige Splitter ab. Schon schälte sich das große, runde Eulenauge aus dem Block.
    Endlich rief Ruth. »Da ist Karl, Sigi.«
    Hastig warf er einen Sack über seine Arbeit und lief nach vorn.
    Als Karl auf die Wettfahrt zu sprechen kommen wollte, da legte Sigi den Finger auf den Mund. Ruth wendete sich dem Feuer zu. Sie wollte ihr Lächeln verbergen.
    Die Dunkelheit

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