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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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hatte. Am meisten jedoch befremdete es sie, dass jeder der beiden von sich behauptete, er selber und er allein sei der rechte Sohn, der den Willen des Vaters genau kenne. Der andere sei im Dunkel des Irrtums und der Schuld verstrickt und ein ungeratener Wechselbalg.
    ›Ihr seid doch aus einer Familie!‹, sagten die Nachbarn dann zu ihnen. ›Besinnt euch doch auf euer Vaterhaus.‹
    ›Was, Vaterhaus!‹, rief der eine entrüstet. ›Ich tue den Willen des Vaters. Das ist mehr als fauler Friede.‹
    ›Ich bin es, der seinen Willen genau verstanden hat‹, beeilte sich der Zweite zu versichern.
    Sie zogen sich in ihre Kammer zurück, und jeder glaubte hochnäsig von sich, dass er die ganze Wahrheit allein gepachtet habe.
    ›Wer hilft aus diesem Elend?‹, seufzten die Nachbarn.
    Da kam eines Tages ein Weiser in den Flecken. Ihm trugen die Leute das Ärgernis vor. Die Brüder wurden ihm vorgeführt. Sie schauten sich nicht in die Augen. Sie trugen ihren Spruch vor. Jeder erwartete von dem Weisen, dass er sich von seinen guten Gründen überzeugt habe. Insgeheim waren sie nur dann bereit, an seine Weisheit zu glauben, wenn er ihnen zustimmen und sich allein auf ihre Seite stellen würde.
    Der Weise zuckte die Achseln.
    ›Vieles spricht dafür, dass du im Recht bist‹, sagte er zu dem Älteren. ›Aber auch du nimmst Worte in den Mund, die sehr wohl dein Vater gesagt haben könnte‹, wandte er sich an den Jüngeren und blickte ihm in das Gesicht – es war arg zerschunden, weil sein Bruder in der Nacht über ihn hergefallen war –, ›du sprichst seine Sprache.‹
    Er erhob sich und wollte gehen. Die Brüder jedoch hielten ihn am Mantelsaum und riefen: ›Wir sind so klug wie zuvor. Auf wessen Seite, meinst du, steht unser Vater? Sprich! Wir bitten dich.‹
    ›Die Antwort ist zu schwer. Nur ein Dummer weiß auf alles Antwort. Ich will euch einen Rat geben. Ihr wisst ja sicher, dass euer Vater eines Tages wiederkommen wird. Nehmt euch seinen größten Wunsch zu Herzen, habt euch lieb. Sprecht nicht immer hasserfüllt über das, worüber ihr euch nicht einigen könnt. Vieles ist euch doch gemeinsam. Erinnert euch an euren Vater, und wartet seine Wiederkunft ab. Ja, fleht sie herbei. Er wird euch gewiss liebevoll begrüßen, wenn er in ein Haus des Friedens eintritt. Aber wie traurig muss er sein, wenn er von der Ungeduld der Söhne untereinander, von Hader und Zwietracht hört. Oder gar von dem‹, sagte er und strich dem jüngeren über die Beulen und Schrammen.
    Die Söhne wurden sehr nachdenklich. Sie brauchten einige Zeit, bis der Rat des Weisen die harte Kruste ihrer Herzen durchdrungen hatte. Ja, eigentlich wissen die Nachbarn immer noch nicht genau, ob sie das Wort wirklich ins Herz geschlossen haben. Aber sie hoffen darauf. Insgeheim hoffen es auch die Söhne. Nur warten sie zu sehr einer auf den anderen. Jeder meint, er könne sich etwas vergeben, wenn er mit dem Liebhaben anfinge. Doch eines Tages …«
    Ruth hörte mitten im Satz auf.
    »Das ist kein Schluss«, meinte Karl.
    »Nein«, gab Ruth zu. »Vielleicht sucht ihr aber selbst einen?«
    Karl musste nach Hause. Während Sigi ihn bis zur Ladentür brachte, zündete Ruth die Petroleumlampe in der Küche an.
    Sie schien schmaler, blasser. Nicht die Brautdürre, die manche Mädchen vor der Hochzeit befällt, war es. Um ihre Lippen hatte sich eine haarfeine, harte Rille in die Haut gegraben.
    »Mit neunzehn schon ein faltiges Gesicht?«, hatte sie sich erschrocken gefragt, als sie im Spiegel zum ersten Male die zarte Spur ihres Kummers entdeckte.
    Dabei wunderte sie sich über sich selber. Sie hatte sich nie denken können, dass es so endgültig mit Gerd auseinandergehen konnte. Sie hörte seinen Hammer, sie sah ihn dann und wann. Doch spürte sie nur selten ein Gefühl des Bedauerns, nie wünschte sie, wieder gut mit ihm zu sein. Zuerst hatten Zorn und Empörung sie erfüllt, wenn sie nur an ihn dachte. Zorn auch auf sich selber, auf all ihre Gedanken an den Weg, den sie gemeinsam mit ihm gehen wollte. Ihre Aussteuerkiste war seit dem Tag des Bruches nicht ein einziges Mal geöffnet worden. Allmählich war ihre Erregung gewichen. Jetzt kam jedes Mal das Staunen über sie, wenn er ihr über den Weg lief. Wie vertraut war er ihr vor ein paar Wochen noch gewesen, und jetzt wurde er ihr fremder von Tag zu Tag.
    »Es stürmt und schneit.« Sigi zog seine Jacke und Vaters Schuhe an. »Ich gehe Mutter entgegen. Der Zug muss bald einlaufen.«
    Ein Windstoß

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