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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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bis der Fuhrwerksbesitzer einen aus dem Haus kommenden Mieter angesprochen hatte und ihm den Rücken zukehrte, dann kam er hinter der Litfaßsäule hervor und schwang sich auf den Kutschbock. In Sekundenschnelle hatte er sich die Zügel gegriffen. «Hüh!» Mit Pferden umzugehen hatte er schon als Kind gelernt, und der Braune vor dem Wagen setzte sich sofort in Trab. Es ging die Chausseestraße hinunter, als wollte er zum Oranienburger Tor. Aber das war nur eine Finte, um den Fuhrwerksbesitzer zu täuschen, wenn der die Verfolgung aufnahm. Schon an der nächsten Querstraße bog Schwina scharf nach rechts ab, um am Naturhistorischen Museum vorbei zur Scharnhorststraße zu gelangen und den ganzen Komplex von Kasernen und Krankenhäusern zu umfahren. Über die Boyenstraße kam er wieder auf den Straßenzug Chaussee- und Müllerstraße zurück und konnte diesen nun, vor jeder Verfolgung ziemlich sicher, in entgegengesetzter Richtung entlangfahren. Oben an der Müllerstraße hatten Zigeuner ihr Lager, und denen verkaufte er für gutes Geld Pferd und Wagen.
    Es war ein guter Tag für Friedrich Schwina, denn wenig später sah er ein Fahrrad, nur so an einen Baum gelehnt, und damit war er bald wieder in seiner Laube zurück. Er küsste das Mistvieh auf die Schnauze. Das brachte immer Glück.
    Keine halbe Stunde später stand ein nobel gekleideter junger Mann vor seinem Gartenzaun und begehrte Einlass. «Ich bin’s, Alfons.»
    Alfons Weißagk kam aus einer ehrbaren Familie. Sein Vater war Mitinhaber einer kleinen Privatbank und seine Mutter sogar eine «von». Nach fünf Knaben hatte er eigentlich ein Mädchen werden sollen, und von seiner liebenden Mutter war er auch lange Zeit als solches gekleidet und behandelt worden. «Ist er nicht süß - wie ein Mädchen.» Schauspieler und Sänger hatte er werden wollen - und nicht Bankier. Mit siebzehn Jahren war er dann mit einem älteren Mimen durchgebrannt und prompt vom Elternhaus verstoßen worden. Alles, was er nun tat, begriff er als Rache. Eines Tages war es ihm gelungen, ein Blatt aus dem Verbrecheralbum herauszureißen, das Blatt mit seiner Photographie und seiner Vita, und das hatte er seinem Vater zum fünfzigsten Geburtstag nach Hause geschickt. «Mit herzlichen Glückwünschen - zu diesem Sohn.» Die meisten Strafen hatte er als Hochstapler aufgebrummt bekommen, aber auch Trickbetrügereien und Heiratsschwindel gehörten zu seinem Repertoire. Sozusagen geerbt hatte er die Nähe zu den höheren Kreisen, und so war es ihm ein Leichtes, die Rolle des ergebenen Dieners stilecht auszufüllen und sich das Vertrauen seiner Herren zu erschleichen. So erfuhr er viele Dinge, die es ihm und seinem Komplizen leicht machten, an reiche Beute zu gelangen. Sie hatten schon ein kleines Vermögen angehäuft und sicher versteckt. Dass Schwina in einer Laube lebte und er nur Diener war, gehörte zur Tarnung. Spätestens im Sommer des nächsten Jahres wollten sie alles nehmen und nach Amerika gehen. Er selber träumte immer nur von Buenos Aires, Friedrich dagegen hätte lieber in den Vereinigten Staaten gelebt.
    Friedrich Schwina holte seinen teuersten Kognak aus dem Versteck. Sie stießen auf den gelungenen Coup mit dem Pferdefuhrwerk an.
    «Mehr als dreimal dürfen wir das nicht machen», sagte Weißagk. «Dann sind alle kleinen Fuhrunternehmen gewarnt und rufen den nächsten Blauen herbei, wenn ich auftauche.»
    Schwina rechnete im Kopf. «Uns fehlen noch mehr als zehntausend Mark.»
    «Keine Sorge, ich bin ja jetzt bei Kockanz.»
    «Verdient der denn mit seinen beiden Kohlenplätzen so viel?» Schwina war da etwas skeptisch.
    «Nein, aber er hat einen reichen Onkel in Koblenz. Leder en gros und en detail . Außerdem gibt es Bares, das der Onkel nicht auf seinem Konto haben durfte. Ich weiß bloß noch nicht, wo Kockanz das versteckt hat. Aber das werde ich schon noch herausbekommen, muss mich nur beeilen, denn er will sich ein Grundstück kaufen, oben in Frohnau.»
    Am Montag war der Streik bei Kupfer & Co. ausgerufen worden, aber erstaunlicherweise war es die ganze Woche über in Moabit vergleichsweise ruhig geblieben. Der Zorn der Streikenden und ihrer Sympathisanten auf die Streikbrecher und die Schutzleute, die ihre Kohlenwagen eskortierten, hatte sich lediglich in Schimpfkanonaden entladen, und überall war es bei Drohgebärden geblieben. Die organisierten Arbeiter waren ohnehin diszipliniert, und die Radaubrüder, die Gelegenheiten wie diese gern nutzen, um sich gehörig

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