Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Leiche ist nach Todeseintritt durch Hitzeschrumpfung aller Muskeln entstanden», erklärte er, während er sich nach unten beugte. «Die Verkohlung der Nägel zeigt an, dass die Verbrennungstemperatur über vierhundert Grad betragen hat.»
«War ja auch ein ganz schönes Feuerchen», sagte Galgenberg.
«Aber was ist denn nun, Doktor, war der Mann schon tot, als der Brand ausgebrochen ist?»
«Ich würde sagen: ja.»
«Aber wie ist er ums Leben gekommen?»
«Wahrscheinlich durch das Loch da im Kopf», sagte Kappe. Galgenberg lachte. «Sie meinen die Nasenlöcher?»
«Nein, das Loch hier in der Stirn.»
Von Canow, der ihnen langsam gefolgt war, leuchtete mit einer Blendlaterne. «Da hat er recht, das ist zweifellos ein Einschussloch. Prima, mein Lieber!»
Kappe freute sich einerseits über das Lob, fürchtete aber andererseits, sich Galgenberg und Dr. Kniehase für immer zu Feinden gemacht zu haben. Er hatte sich ungefragt eingemischt und die Autorität der Fachleute in Frage gestellt. So etwas tat man nie ungestraft.
Doch zumindest Galgenberg schien für solche Regungen unempfindlich zu sein. «Nu mal ran an’n Sarch und mitjeweent, ick meine: ran, den Täter suchen. Wenn’s ’n Schuss war, muss den vorher jemand abgefeuert haben. Der Tote selber? Dann müsste die Waffe neben ihm liegen. Tut sie aber nicht. Also war es ein anderer. Und wer? Weil wir hier in Moabit sind, würde ich sagen: Es war einer von den Streikenden.»
Kappe wollte das nicht so stehen lassen. «Das setzt aber voraus, dass der Tote hier ein Streikbrecher war.»
«Wenn er hier gearbeitet hat, wird er in den Augen der Streikenden einer gewesen sein», sagte von Canow.
Dr. Kniehase zeigte auf die verkohlte Leiche. «Ist das denn hier ein Arbeiter von Kockanz?»
«Wissen wir noch nicht», antwortete von Canow. «Ich habe nach Kockanz schicken lassen, aber er ist noch nicht gekommen.»
«Haben sich denn schon Zeugen gemeldet?», fragte Galgenberg.
«Ja, das Ehepaar, das die Feuerwehr alarmiert hat. Das sitzt in der Kneipe gegenüber, hat aber noch unter Schock gestanden, sodass ich es nicht weiter ausfragen konnte.» Von Canow zog seine Uhr aus der Tasche. «Jetzt müssten sie sich aber schon wieder gefangen haben, gehen wir mal hin.»
Als sie über den aufgeweichten Kohlenplatz gingen und von einer kleinen Insel mit festerem Boden zur anderen hüpften, kam ein Schutzmann auf sie zu und hielt von Canow einen Rucksack hin.
tor.»
«Den haben wir hier auf dem Platz gefunden, Herr Inspek«Und was ist drin?»
«Kohlen.»
«Ah, da hat einer Kohlen klauen wollen.» Von Canow winkte Kappe heran. «Nehmen Sie den mal, vielleicht bringt er uns auf die Spur der Täter.»
Kappe tat, wie ihm geheißen. Nachdem er einen Blick in den Rucksack geworden hatte, wagte er es, seinen Vorgesetzten auf einen kleinen Widerspruch aufmerksam zu machen. «Pardon, aber im Rucksack befinden sich Presskohlen einer Marke, die Kockanz nicht führt.»
«Da hat uns Storkow ja einen richtigen Sherlock Holmes beschert», merkte Dr. Kniehase an.
Kappe wusste nicht, ob er das als Anerkennung oder als Spott werten sollte. Wahrscheinlich war es beides zugleich, und er versuchte den etwas abgehobenen Ton der Berliner zu treffen: «Tut mir leid, dass ich als Junge so viel Karl May gelesen habe, ich werde es auch nie wieder tun.»
«Is ja doll bei Kroll», sagte Galgenberg. «Aber wer ist so dusslig und schleppt Kohlen auf ’nen Kohlenplatz?»
Da hierauf keiner eine Antwort wusste, gingen sie erst einmal in die Kneipe, um mit den Zeugen zu sprechen. Von Canow hatte sich die Namen notiert. «Magnus und Johanna Hagenhausen.»
Als Magnus Hagenhausen die Kriminalbeamten auf sich zukommen sah, zuckte er zusammen, denn was der eine da in der Hand hielt, war ohne Frage sein Rucksack.
Nachdem sie sich begrüßt und einander vorgestellt hatten, wurde Hagenhausen gebeten zu schildern, was er und seine Frau erlebt hatten.
Von Canow teilte seinen Leuten die Aufgaben zu. «Kappe, Sie notieren alles, was gesagt wird, und Sie, Galgenberg, führen die Untersuchung.»
Galgenberg nickte. «Gut, ich suche die Unterführung.»
«Welche Unterführung?», fragte Hagenhausen.
«Ach nichts, erzählen Sie mal.»
Hagenhausen tat es sehr ausführlich, und seine Frau, die ihn immer wieder unterbrach, ergänzte das Gesagte durch ein paar Details.
«Einen Schuss haben Sie aber nicht gehört?», fragte Kappe. Beide überlegten einen Augenblick und verneinten dann.
«Wenn einer gefallen
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