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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Mordkommissionen gab es bei der Berliner Polizei noch nicht, sie wurden von der Fachinspektion A, zuständig für alle Fälle von Mord und Körperverletzung, immer erst ad hoc zusammengestellt.
    Kappe konnte sich also auf der einen Seite gebauchpinselt fühlen, auf der anderen Seite kam er sich aber vor wie ein Hochstapler und hatte Angst zu versagen. Aber was blieb ihm übrig, als sich von Lubosch zu verabschieden und zu Galgenberg in den Wagen zu steigen?
    «Nicht vergessen: Morgen früh um neun, Görlitzer Bahnhof!», rief ihm Lubosch zu. «Sonst fahre ich mit deiner Klara allein nach Wendisch Rietz.»
    Obwohl Kappe wusste, dass das nur Spaß war, traf es ihn wie ein Streifschuss, und er hatte Mühe, Galgenbergs Erläuterungen zu folgen: dass man in Moabit auf einem Kohlenplatz einen Mann getötet und dann die Baracke mit dem Büro angesteckt hatte.
    «Sie werden sich auf eine verkohlte Leiche gefasst machen müssen.»
    Kappe schluckte, gab sich aber leichenfest. «Besser als eine Wasserleiche. Davon hatten wir im Storkower wie im Scharmützelsee so einige. ..»
    In flotter Fahrt ging es durch die abendliche Stadt. Überall waren die Gaslaternen angegangen, und Kappe genoss den Glanz der Hauptstadt. Ihr Chauffeur wählte die Route über die Dresdener, die Ross-, die Leipziger, die Friedrich-, die Chaussee- und die Invalidenstraße, um nach Moabit zu kommen. Das sei ein kleiner Umweg, ginge aber schneller, erklärte er ihnen.
    «Macht nichts», kommentierte Galgenberg diese Mitteilung.
    «Leichen laufen selten weg, es sei denn, unsere ist gar nicht verkohlt, sondern will uns nur verkohlen. Da hatte ich mal einen Fall in einer Kneipe, Marke Keilerei mit Tanzvergnügen, wo wirklich einer nur scheintot war und weggelaufen ist, als wir angerückt kamen.»
    Kappe hörte nur bedingt zu. Ihn beschäftigte eine ganz andere Frage. «Hat denn der Mord auf dem Kohlenplatz etwas mit den Moabiter Unruhen zu tun?»
    Galgenberg nickte. «Nach dem, was ich bis jetzt gehört habe, sieht es ganz so aus, als hätten se einen Streikbrecher umgebracht.»
    «Dann wird die Stimmung ganz schön aufgebracht sein», fürchtete Kappe. «Gegen uns.» Er wusste, dass die Arbeiterschaft die Polizei nicht besonders liebte und ihr Tyrannei vorwarf. Das lag vor allem an der Arbeit der Abteilung VII, der politischen Abteilung der Polizei in Berlin. Nun war es sicherlich Unsinn, diese im Hinblick auf Stärke und Brutalität mit der russischen Ochrana zu vergleichen, wie das einige Sozialisten taten, aber ihre Hauptaufgabe war nun einmal, die Sozialdemokratie zu bekämpfen und das, was man als internationalen Anarchismus bezeichnete. Insbesondere die Führer der sozialistischen Bewegung erfreuten sich einer liebevollen Behandlung. So wurde Agnes Wabnitz, eine Schneiderin, die zur prominenten Arbeiterführerin geworden war, im August 1894 in den Selbstmord getrieben, weil sie befürchten musste, von der politischen Polizei zum zweiten Mal in ein Irrenhaus eingeliefert zu werden. Jahrelang waren die Sozialdemokraten von sogenannten Achtgroschenjungen bespitzelt worden, und erbittert hatte August Bebel erklärt, den Polizisten, wenn denn der Tag gekommen sei, alle Demütigungen und Repressalien, die man erlitten habe, mit gleicher Münze heimzuzahlen. Man plante weder Bürgerkrieg noch Revolution, wollte aber die Straße für massive Arbeiterdemonstrationen nutzen. Der Polizeipräsident Traugott von Jagow hatte daraufhin im Vertrauen auf den militärischen Apparat der Schutzmannschaft verkündet:
    «Die Straße dient dem Verkehr! Ich warne Neugierige!» Schon am 25. Februar 1892 hatte ein Protestmarsch von dreitausend Arbeitslosen vom Friedrichshain zum Stadtschloss stattgefunden. Der Demonstrationszug war von der berittenen Polizei auseinandergetrieben worden, und danach hatte es heftige Kämpfe mit etlichen Verwundeten gegeben. Die unteren Klassen waren wütend, weil die Polizei bei jeder Auseinandersetzung zwischen Arbeitern und Kapital gegen sie war.
    Galgenberg langweilte sich ein wenig, und wie immer, wenn er das tat, kam er mit seiner Aufforderung, der andere möge doch einen Satz mit. .. bilden. «Kappe, ein Satz mit Bellevue?»
    «Keine Ahnung.»
    «Ick belle wü een Hund.»
    Kappe hatte viel mit seinem Nachbarn Trampe geredet und wusste, was da brodelte, und so war er von unguten Gefühlen erfüllt, als sie Moabit erreicht hatten und er die Menge in der Wiclefstraße stehen sah. Nur mit Mühe konnten ihnen die uniformierten Kollegen den Weg

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