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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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können. Um mit den Gästen, die er zu bedienen hatte, angemessen plaudern zu können, las er viel, obwohl es ihm nicht leichtfiel, und ging öfter ins Theater. Anfangs hatte er sich mit Vorstadtbühnen begnügt, nun wagte er sich aber schon ins Deutsche Theater in der Schumannstraße. Er war etwas klein geraten und ungemein geschmeidig, und niemand hätte ihn, dunkelhaarig wie er war, für einen Sohn Brandenburgs gehalten. Immer wieder kam es vor, dass er gefragt wurde, aus welchem Lande er denn käme, und die meisten Fragenden hätten dabei auf Italien getippt. Seine Sprache wurde von Monat zu Monat geschliffener, und einige Freunde lästerten schon, er würde ein feiner Pinkel werden: «Pass ma uff, bald issa Lakai beim Kaiser.»
    «Wann darf ich die Dame denn mal sehen?», fragte Lubosch. Kappe zögerte mit einer Antwort. Nahm er den Freund mit nach Wendisch Rietz, konnte es geschehen, dass er Klara Avancen machte, ließ er ihn zu Hause, lief er Gefahr, dass Klara nicht mitfuhr, denn sie hatte eine unheimliche Angst davor, ins Gerede zu kommen. Was blieb ihm da anderes übrig, als Liepe sozusagen mit ins Boot zu nehmen? Er informierte den Freund über den geplanten Ausflug.
    «Wunderbar!», rief Lubosch. «Morgen um neun am Görlitzer Bahnhof! Und was machen wir heute Abend?»
    Kappe überlegte kurz. «Im Hinblick darauf, dass wir morgen ziemlich früh aus den Betten müssen, würde ich sagen: Nicht allzu viel. Ich hätte zwar gern ein bisschen Fußball gespielt, aber. ..»
    «Bloß nicht!» Lubosch hasste die plumpe Balltreterei. «Gehen wir lieber tanzen. Wie wär’s mit Schramm in Wilmersdorf?»
    Kappe winkte ab. «Ich hab doch jetzt meine Klara, ich muss doch nicht mehr suchen gehen.»
    Lubosch spielte den Kenner. «Dass du deine Klara schon hast, ist wohl ein bisschen übertrieben. Und selbst wenn dem so wäre, was stünde da einer neuer Eroberung im Wege?»
    «Sie!», rief Kappe mit Emphase.
    Da konnte der Freund nur milde lächeln. «Wie heißt es bei Schiller in der Bürgschaft? Die Treue ist ein leerer Wahn.»
    «Meiner Ansicht nach heißt es da: Die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn.»
    Sie stritten sich noch ein Weilchen über die richtige Version und konnten sich nicht darauf einigen, was nun richtig war. Auch Pauline Mucke, die sie zur Schiedsrichterin machen wollten, wusste es nicht.
    «Det einzige, wat mir an Schillern interessiert, sind Schillerlocken.» Die aß sie für ihr Leben gern. Sie musterte die beiden. «Die Herren sehen so unternehmungslustig aus, wo soll’t denn heute hinjehen, wieda zu Schramm?»
    «Nein, nur in die Wiener Straße zum Billardspielen, denn wir wollen ja morgen früh nach. ..»
    Kappe konnte den Satz nicht zu Ende bringen, weil in diesem Augenblick heftig am Klingelzug gerissen wurde.
    «Imma langsam mit die jungen Pferde!», rief Pauline Mucke und lief zur Tür, um zu öffnen. Draußen stand ein Blauer. Sie fuhr staunend zurück. «Woll’n Se mir verhaften?»
    Der Schutzmann ignorierte sie. «Es geht um einen Herrn Kappe, den soll ick abholen.»
    Kappe erschrak. «Das muss ein Irrtum sein, ich bin doch selber. .. Was soll ich denn für eine Straftat begangen haben?»
    «Welche Straftat?» Nun war auch der Schutzmann verwirrt. Er brauchte einige Sekunden, seine Gedanken zu sortieren. «Sie sind doch ein Kriminaler?»
    «Ja, warum?»
    Der Schutzmann machte eine hilflose Geste. «Nu is aba jut, junga Mann, woher soll ick wissen, warum Sie ein Kriminaler sind?»
    «Nein, ich meine, warum Sie mich jetzt mitnehmen wollen.»
    «Na, weil unten ’n Automobil steht und die mir gesagt haben, ick soll Ihnen abholen, weil et dringend is.»
    Kappe machte sich auf den Weg nach unten, und Lubosch, der ihm folgte, meinte trocken, Szenen wie diese ersparten ihm den Theaterbesuch. Als Kappe unten Galgenberg vor einem Auto stehen sah, begriff er noch immer nichts.
    «Haben Sie sich ein Automobil gekauft und wollen mich zu einer kleinen Rundfahrt einladen?»
    Galgenberg lachte. «Schön wär’s. Nee, die Kutsche gehört dem Polizeipräsidenten, und ick soll Sie mitnehmen, weil wieder einmal eine Leiche angefallen is.»
    Kappe konnte nicht verhindern, ein wenig rot zu werden.
    «Eine Mordsache. Und da soll ich. ..? Ich bin doch noch ein. ..» Er suchte einen Augenblick nach dem passenden Begriff und kam dabei auf Karl May. «.. . ein Greenhorn.»
    «Aber der Herr von Canow sagt, wir sollten Sie mitnehmen, Sie würden sich da bestens auskennen in Moabit.»
    «Nun ja. ..»
    Feste

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