Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
östlichen der beiden Plätze abginge, wurde ihm erklärt. «Da wo der Rumland wohnt.»
Erstaunlich viele Berliner waren am heutigen Sonntag nach Frohnau gekommen, teils aus Neugierde, teils in der Absicht, hier ansässig zu werden. Die Straßen war weitgehend schon angelegt, aber an der Bebauung fehlte es noch immer ganz erheblich, sobald man sich ein Stückchen von den Plätzen entfernte, das heißt, die Baugrundstücke überwogen bei weitem.
Das Landhaus des Patentingenieurs Julius Rumland war von dem bekannten Architekten Paul Poser entworfen worden, und als Gottfried Kockanz es sah, rief er spontan: «So eines möchte ich auch gerne haben!» Dann fügte er mit Blick auf Sophie Schünow traurig hinzu: «Aber so alleine in dem großen Haus. ..»
«Sie werden schon eine finden.»
«Mir ist so, als hätte ich schon eine gefunden.»
Sophie Schünow erschrak. Kockanz war doppelt so alt wie sie und hinkte. Andererseits. .. Wer nahm sie denn noch? «Tausche abgelegte Braut gegen ein Pfund Sauerkraut», reimten die Leute hinter ihrem Rücken. Alle wussten, dass sie kein unbeschriebenes Blatt mehr war, und wer wollte sie noch zum Traualtar führen? Höchstens einer der Proletarier, die sich gerade mit den Blauen herumgeschlagen hatten.
«Darf ich also hoffen?», fragte Kockanz.
«Sie dürfen.»
Hermann Kappe saß im Zug nach Hoppegarten (Mark), hatte sich im Abteil dritter Klasse in eine Ecke verkrochen und hätte am liebsten losgeheult wie ein siebenjähriger Junge, dem sie die Angelrute gestohlen hatten. Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt. Erst der Triumph mit der Festnahme des Kohlenplatzmörders, dann der Korb, den ihm Klara gegeben hatte. Nun musste er alleine zu den Börnickes fahren. Es nicht zu tun, hätte ihm die Schelte seiner Eltern eingebracht. «Hermann, es ist deine Patentante, und du hast die Pflicht, sich um sie zu kümmern.» Die Tante war ja noch in Ordnung, aber der Onkel. ..
Viel zu schnell stand er vor dem Gartentor und rief nach hinten, dass man ihm bitte öffne. Doch man ließ sich Zeit. Wahrscheinlich hielt man das für besonders vornehm. Der Dobermann sprang wie von Sinnen am Zaun hoch und hätte ihn am liebsten zerfleischt. Endlich kam der Onkel nach vorn, riss das Tier zurück und schloss ihm das Tor auf.
«Ruhig, Hannibal, kusch! Es ist nur der Hermann. Tut mir leid, aber er kann nun mal keine Polizisten leiden.»
«Ich habe doch keine Uniform mehr an als Kriminaler.»
«Das riecht er aber.»
Richard Börnicke, gerade 51 Jahre alt geworden, war an sich das, was die Berliner einen Kotzbrocken nannten, kam aber immer scheißfreundlich daher und konnte allen um den Bart gehen, musste das auch in seinem gutgehenden Kolonialwarenladen in der Kreuzberger Bergmanstraße, um die Hausfrauen und Dienstmädchen, die bei ihm kauften, bei der Stange zu halten. Korpulent war er - vollgefressen, sagten seine Feinde und Neider. Das Geschäft warf eine Menge ab, und gerade hatte er sich ein Grundstück in Hoppegarten gekauft und darauf ein kleines Häuschen errichten lassen, an dessen klassizistischem Giebel der Name Villa Frieda prangte, das aber nur eine bessere Sommerfrische war. «Später, wenn wir uns ein Automobil zugelegt haben und immer hier draußen wohnen, lassen wir es zu einem Schlösschen erweitern», erklärte er. Noch lebte er mit Frau und Tochter in einer geräumigen Wohnung über dem Laden. Auch zu Hause liebte er es, in einem weißen Kittel herumzulaufen, und der wölbte sich dann über seinem Leib, als ginge er mit Drillingen schwanger.
Kappe ertappte sich immer wieder bei dem Gedanken, welch ungeheuren Genuss es ihm bereiten würde, seinen Onkel einmal festzunehmen. In irgendwelche krummen Machenschaften war der ganz sicher verwickelt.
Tante Frieda kam nun aus dem Häuschen, um ihn zu begrüßen. Nicht mit einem Händedruck, sondern einer festen Umarmung. Diese fürchtete er ebenso wie den schlappen und feuchten Händedruck seines Onkels, denn als pubertierender Knabe hatte er sich oft vorgestellt, von seiner Tante verführt zu werden. Trotz des Befehls seines Vaters «Hände über der Bettdecke!» und der darauffolgenden Tracht Prügel, wenn wieder feuchte Flecke entdeckt wurden. Das war ihm die Lust schon wert.
Frieda Börnicke, mit ihren nur 32 Jahren erheblich jünger als ihr Mann, war eine geborene Kappe, kam also aus Wendisch Rietz. Sie hatte einige Jahre als Dienstmädchen bei Börnicke gearbeitet und ab und an im Laden ausgeholfen. Als dann Börnickes erste Frau
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