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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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an Darmverschluss verstorben war, hatte sie den Witwer hingebungsvoll gepflegt. Nach einer angemessenen Trauerzeit war sie die neue Frau Börnicke geworden und hatte ihrem Mann alsbald eine Tochter geschenkt. Die Frage, wie sie das Kind gezeugt hatten, gab zu vielerlei Spötteleien Anlass, denn Börnicke war ein Fettkloß auf zwei Beinen, und sie war so gebaut, dass einige meinten, sie sei schon in der Bibel angekündigt worden: «Eine lange Dürre wird kommen.» Sie wusste genau, dass Börnicke sie nicht wegen ihrer körperlichen Reize, sondern wegen einer anderen Eigenschaft genommen hatte: ihrer Fähigkeit, das Geld zusammenzuhalten und das Geschäft mit neuen Ideen voranzubringen. Ihr Traum war es, eines Tages Frau Kommerzienrath zu sein.
    Dass Hermann sie vor Jahren als junge Frau begehrt hatte, war Frieda Börnicke nicht verborgen geblieben, und sie erinnerte sich gern daran, denn nun war sie es, die sich vorstellte, mit ihm das Lager zu teilen, denn Börnicke vermochte ihr nicht das zu geben, was sie sich ersehnte. Gern las sie schwülstige Romane, und wenn da ein Jüngling ausrief: «Olga, ich lechze nach Vereinigung!», dann stöhnte sie gepresst. Woran sie sich am meisten ergötzen konnte, war der Gedanke, Hermann Kappe würde ihr Schwiegersohn werden. Nichts hatte sie unversucht gelassen, ihre Tochter auch heute wieder herauszuputzen. Sündhaft teuer war das Kleid, das sie ihr bei Rudolph Hertzog gekauft hatte.
    «Hertha, nun zeige dich doch endlich!», rief sie in die «Villa Frieda» hinein. «Hermann ist gekommen.» Das «Cousin» oder
    «Vetter» ließ sie weg, denn noch immer ging das Gerücht, dass eine Ehe unter so engen Verwandten debile Kinder zur Folge haben würde. Sie hielt das für ausgemachten Unsinn, aber es schien ihr geraten, sich die Sache gar nicht erst ins Gedächtnis zu rufen.
    Hertha Börnicke war siebzehn Jahre alt und ging noch zum Lyzeum. Ihr großer Traum war es, eine berühmte Schriftstellerin zu werden. In jeder freien Minute las sie die sentimentalen Romane der Eugenie Marlitt, die in der Gartenlaube erschienen waren und die ihre Mutter gesammelt hatte. In eifriger Korrespondenz stand sie aber mit Hedwig Courths-Mahler, deren Stern gerade aufzugehen begann. Lange Zeit waren deren Romane als Fortsetzungen in den Tageszeitungen erschienen, so 1904 Licht und Schatten im Chemnitzer Tageblat t, seit kurzem aber gab es sie auch in Buchform zu kaufen. Hertha Börnicke war still und verschlossen und überaus schüchtern. Die Leute sagten von ihr, dass sie von ihrer Mutter die Figur und von ihrem Vater etwas aus dem Geschäft geerbt habe: «Eine lange Bohnenstange mit Rosinen im Kopp.» Wie ihre Mutter schwärmte sie für Kappe. Er hatte so etwas verhalten Männliches, er war einfach umwerfend! Ihn zu fragen, ob er mit ihr zu einem Tanzvergnügen gehen würde, hätte sie nie gewagt, aber sie hoffte, dass ihre Mutter das schon arrangieren würde.
    Hermann Kappe hatte die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, und so erriet er ziemlich genau, was Mutter und Tochter bei seinem Anblick fühlten, so gleichgültig und blasiert sie auch wirken wollten. O Gott! Aber andererseits. .. Eine schlechte Partie war seine Cousine nun ganz sicher nicht. Und jetzt, wo ihn Klara so kühl abgewiesen hatte. .. Wenn man Hertha hochpäppelte und sie ein wenig Fleisch ansetzte, mochte sie gar nicht so übel sein.
    «Du bist ja richtig berühmt geworden», sagte Hertha, als sie zum Mittagstisch gingen. «Ich habe gelesen, dass du den Kohlenplatzmörder festgenommen hast.»
    «Ach, das hat sich doch fast von selbst so ergeben.» Kappe gab sich bescheiden, aber es tat ihm wohl, angehimmelt zu werden.
    Gottfried Kockanz saß in seiner Loggia, rauchte eine Havanna und genoss den ältesten französischen Rotwein, den er in seiner Speisekammer liegen hatte. Der Kaufvertrag für das Frohnauer Grundstück war unterschrieben, im nächsten Jahr zog er in sein Landhaus ein, mit einer wunderbaren Frau an seiner Seite. Sophie Schünow hatte ihm praktisch schon ihr Jawort gegeben. Alle Träume hatten sich erfüllt. Vor ihm auf dem Tisch lagen die ersten Entwürfe seines Architekten. Wie Heinrich Straumer, der in Frohnau am meisten Ansehen zu genießen schien, bevorzugte er Kalksteinsockel, verputztes Mauerwerk, Erker mit Holzschindeln, kleinteilige Sprossenfenster, mit Schiefer gedeckte Brüstungen, ein steiles Satteldach mit Biberschwanzziegeln und Fledermausgauben. Kockanz gefiel das alles bestens, nur bei

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